Von Mario Vedder

Chefchaouen (Marokko). Mitten im Rif-Gebirge im Norden Marokkos liegt ein magischer, ein surrealer Ort, eine blaue Oase, wie entsprungen aus einem fernen Märchenbuch: Chefchaouen – die „blaue Stadt“ Marokkos.

Chefchaouen – Ein Ort für Entdecker und Träumer

Diese Millionen Nuancen an Blautönen, die die Häuser, Treppen und Gassen der Altstadt zieren, dieses magische, fast surreale Geheimnisvolle. Diese kleine Stadt ist so faszinierend schön, dass man sich kaum trennen mag von der farbigen Magie.

Chefchaouen – Die blaue Stadt Marokkos. Foto: Mario Vedder
Chefchaouen – Die blaue Stadt Marokkos. Foto: Mario Vedder

Ankunft in Chefchaouen – Das Abenteuer beginnt

Ankunft mit dem Motorrad, ich suche mein Riad, eine kleine Privatunterkunft, unweit der Medina. Die Royal Enfield tuckert entlang der alten Stadtmauer, es ist Markt. Und wie natürlich ist auch hier wieder ein allgegenwärtiger, freundlicher Ersthelfer da, der einfach alles im Angebot hat, was der ortsfremde Reisende so gebrauchen könnte. 

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Chefchaouen – Die blaue Stadt Marokkos. Foto: Mario Vedder

Hotel, Sleep, Rauchen? Good Quality…

„No Money, not nothing. I‘m safe, my friend. You have Hotel? Need a car? Sleep? Rauchen? Good Quality. My Farm is near by car.“ Hotel, Riad, Parkplatz. Alles klar? Ja, alles klar. Bei mir zumindest, „I’m ok, my friend, ok, thank you, thank you.“ Willkommen in Chaouen, Vorhang auf für die blaue Vorstellung.

Chefchaouen bedeutet soviel wie "Schau, die zwei Hörner", gemeint sind die zwei Berggipfel im Hintergrund. Foto: Mario Vedder
Chefchaouen bedeutet soviel wie „Schau, die zwei Hörner“, gemeint sind die zwei Berggipfel im Hintergrund. Foto: Mario Vedder

Die Bedeutung des Namens Chefchaouen

Chefchaouen bedeutet soviel wie „Schau, die zwei Hörner“, gemeint ist die famose Kulisse mit den zwei Berggipfeln Djebel Meggrou (1616 Meter) und dem Djebel Tisouka (2050 Meter), beide zusammen sehen aus wie die Hörner eines Stiers.

Überall in den Gassen liegt Kunsthandwerk zum Kauf aus. Foto: Mario Vedder
Überall in den Gassen liegt Kunsthandwerk zum Kauf aus. Foto: Mario Vedder

Eine blaue Oase mitten im Rif-Gebirge

Alles ist hier blau, wirklich alles, zumindest in der Medina, da drinnen, hinter meinem freundlichen Begleiter, der alles im Angebot hat, was Menschen auf der Suche glücklich machen kann, gerade hier im Rif-Gebirge, inmitten des größten Cannabis-Anbaugebietes Marokkos. Süße Versuchung im blauen Gewand. 

Chefchaouen lebt auch vom Flair der andalusischen Architektur. Foto: Mario Vedder
Chefchaouen lebt auch vom Flair der andalusischen Architektur. Foto: Mario Vedder

Kinder spielen, Frauen handeln, Männer reparieren ein Auto

Die Ankunft ist irgendwie wie immer im freundlichen Marokko: Helfer wollen helfen, bei allem. Ich tuckere mit meinem Motorrad weiter entlang der Gassen, streife den äußeren Rand der Medina, drinnen haben zumindest offiziell Zweiräder nichts verloren.

Ein Video aus der magischen blauen Stadt Marokkos. Video: Mario Vedder

Ich suche meine Unterkunft, ein Riad, einfach und zentral und motorisiert zu erreichen. Ich finde es nicht gleich und drehe ein paar Runden. Frauen verkaufen Gemüse am Straßenrand, ihre Kleider sind, nennen wir es rustikal, die dicken Socken fallen auf, sie kommen aus den Bergen des Umlandes, auf über 1000 Metern ist es kalt, wir haben noch Februar. Kinder spielen, Frauen handeln, Männer reparieren ein Auto am Straßenrand. 

Ein kleiner Markt am Rande der Medina. Foto: Mario Vedder
Ein kleiner Markt am Rande der Medina. Foto: Mario Vedder

Die Medina ist autofrei

Und mein Ersthelfer ist schon wieder da, probiert sein Glück auf‘s Neue. Ein schönes Spiel, seine lachenden Augen wollen nicht aufgeben, das Spiel kann er aber heute nicht gewinnen, nicht gegen mich. Morgen vielleicht, oder übermorgen. Ich mache heute blau. In Chefchaouen, der blauen Stadt. Hier ist wirklich alles blau…und ja, ich weiß, ich wiederhole mich, aber es gibt nunmal kein Synonym für „blau“. Und was nicht blau ist, ist bunt, orange, braun, gelb, Hauptsache bunt gemalt. Die Himalayan steht inzwischen vor dem Riad Azemmat, einer kleinen, feinen privaten Unterkunft mit leckerem Frühstück und warmer Dusche. 

Ich mache mich zu Fuß auf den Weg. Bis zum Tor in die Altstadt sind es gut zehn Minuten. Die Sonne wärmt angenehm, der Schatten hier oben auf über 600 Metern ist allerdings noch deutlich im Februar zuhause. Und das ist auch gut so, denn damit ist Nebensaison. Diese Stadt ist so irre schön, da wundert es kaum, dass zur Hauptsaison die Massen her strömen, handyzückend, selfieschiessend. 

Chefchaouen ist blau und voller Kunst. Foto: Mario Vedder
Chefchaouen ist blau und voller Kunst. Foto: Mario Vedder

Die Medina von Chefchaouen – Ein Spaziergang durch ein blaues Universum

Das hier ist zweifelsohne eine der fotogensten Städte Marokkos. Vor allem natürlich wegen der Farbe Blau, alles innerhalb der Medina ist blau, fast blau, royalblau, kornblumenblau, ein bißchen blau, blau kombiniert mit Gelb, orange, blau in hell, in dunkel, azurblau, türkisblau, abwechselnd mit Weiß, an Wänden, Fliesen, Fensterrahmen. Ich denke an Novalis, die blaue Blume. Das ist zwar Romantik, passt aber auch gut. Die blaue Blume aus der romantischen Dichtkunst eines Novalis als Symbol der Sehnsucht, als Streben nach Geschichten aus der Ferne.  Dazu kommt aber noch, dass die Architektur hier anders ist, anders als in Fes oder Marrakesch beispielsweise. Es scheint fast andalusisch hier, die Mauren wirken nachhaltig, das ist spanischer Baustil in Marokko.

Die Geschichte von Chefchaouen – Eine Stadt mit andalusischem Flair

Chefchaouen wurde 1471 von Moulay Ali Ben Rachid gegründet. Ursprünglich diente die Stadt als Festung, um die Berberstämme vor portugiesischen und spanischen Eindringlingen zu schützen.

Im 15. und 16. Jahrhundert war Chefchaouen ein Zufluchtsort für muslimische und jüdische Flüchtlinge, die vor der christlichen Reconquista aus Spanien flohen. Viele der andalusischen Exilanten prägten das maurische Stadtbild mit seiner südspanischen Architektur. Christen war lange Zeit der Zutritt verboten, recht schnell galt die Stadt als „heilig“, obwohl sie kein einziges islamisches Heiligtum besaß. Erst 1920 geriet Chefchaouen kurz wieder unter spanische Kontrolle, wurde vom Widerstandskämpfer Abdel Krim zurückerobert und ging 1926 dann doch wieder an die Spanier, die bis zur marokkanischen Unabhängigkeit 1956 in Chaouen herrschten. 

In jeder Gasse findet sich etwas blaues. Foto: Mario Vedder
In jeder Gasse findet sich etwas blaues. Foto: Mario Vedder

Kunsthandwerk und kleine Galerien in den Gassen

Die Häuser und Gassen sind schmal und bunt, mitunter steil. Kunsthandwerk liegt vor kleinen Läden, vor allem Teppiche und geknüpfte Ware. Verzierungen überall an den Häusern, Katzen, viele Bilder, kleine Galerien. Manche Häuser haben Vordächer, anders als sonst in Marokko, in viele kleine Gärten darf geschaut werden, Blumen wachsen in Kübeln, kleinste Flächen innerhalb der zugebauten Medina sind begrünt. Brunnen, steile Anstiege und eine Kasbah, die besichtigt werden kann, ein wunderschöner Blick über die Stadt entlohnt den Aufstieg. 

Chefchaouen wurde 1471 von Moulay Ali Ben Rachid gegründet. Foto: Mario Vedder
Chefchaouen wurde 1471 von Moulay Ali Ben Rachid gegründet. Foto: Mario Vedder

Musiker singen sich in Trance

Musik am Place Outa el Hammam dem zentralen Platz, drei Gnawa singen sich in Trance, zupfen ihr Gimbri, schlagen Eisenschellen, auf ihren Köpfen schwingen Hüte mit sich drehenden Elementen, schnell drehenden Teilen. Mir wird schwindelig, Flucht in eines der zig Restaurants am Place Outa el Hammam. Keine Sterneküche, die Gastronomie ist hier klar auf Touristenkurs, aber die Tajine mit Lammfleisch ist mehr als ok, der Preis auch.

Und mit etwas mehr Abstand geht auch die Musik hinein ins harmonische Blauhaus. Diese kleine Stadt macht erstaunliches mit mir, nimmt mich schnell auf in ihre harmonische Seele. Es ist alles überschaubar, einfach loslaufen führt hier nicht zu totaler Orientierungslosigkeit. Gleich nach dem Eintritt in die Medina wird es blau, aber noch sachte, nur angedeutet, die Farben durch Sonnenkraft schon deutlich ausgegraut. Die Steigerung folgt dann schnell und schneller.

Chefchaouen, in der Kasbah gibt es ein kleines Museum und vom Dach einen fantastischen Ausblick. Foto: Mario Vedder
Chefchaouen, in der Kasbah gibt es ein kleines Museum und vom Dach einen fantastischen Ausblick. Foto: Mario Vedder

Warum ist Chefchaouen blau? Die Mythen hinter der Farbe

Warum aber ist die Stadt so blau? So ganz genau weiß das niemand hier, es gibt einige Theorien. Die Tradition des Blaufärbens soll von jüdischen Bewohnern eingeführt worden sein, die die Farbe als Symbol für den Himmel und die Nähe zu Gott betrachteten. Auch gegen böse Gedanken soll das Blau schützen. Andere behaupten, nicht ganz Ernst gemeint, dass die blaue Farbe Mosquitos abschrecken solle. Wieder andere sagen, dass die blaue Farbe die Gassen kühle. Fakt ist, die blaue Farbe schafft etwas magisches, wunderschönes, einmaliges.

Mein grober Plan ist ein Zickzackkurs, von Tor zu Tor und so gehe ich einfach los, quere hin und her und lebe ins Blaue hinein. Die farbliche Komponente des Wohlseins nimmt schnell zu, das ist alles so wunderschön hier. Nur mal angenommen, man liesse das Blau weg, ganz weg, es wäre trotzdem schön, die engen Gassen, die Häuser mit Charakter, vor allem aber die Auslagen, die Kunst, die handwerklichen Dinge, die Menschen, ihr Lächeln, das ihr ist wirklich liebenswert. Immer wieder fallen hübsche Brunnen auf, kleinere in den Gassen, größere an den Plätzen, wie hier zum Beispiel am Place el Haouta.

Farbe gibt es hier in Hülle und Fülle. Foto: Mario Vedder
Farbe gibt es hier in Hülle und Fülle. Foto: Mario Vedder

Kaftane und Kleider hängen an Hauswänden

Vor mir läuft eine ältere Frau, trägt Eimer und Korb, es scheint schwer zu sein, was sie trägt, sie pausiert häufiger, ihre Kleidung ist bunt, ihr Kleid hat große Streifen, ihre Strümpfe sind blau, alles ist bunt hier, auch die Teppiche, die an den Hauswänden zur Schau gestellt werden, die geknüpften Körbe. Auch in Chaouen gibt es tiefer in der Medina einen eigenen Teilmarkt für Kleidung, hier hängen Kaftane, Kleider, wunderschöne Stoffe. 

Inmitten der Medina gibt es Kleidung und Stoffe für alle Anlässe. Foto: Mario Vedder
Inmitten der Medina gibt es Kleidung und Stoffe für alle Anlässe. Foto: Mario Vedder

Drei Tore führen in die Medina

Apropos Stoffe. Innerhalb in der Medina, legen die Helfer für alle Lebenslagen eine erstaunliche Zurückhaltung an den Tag. Mich nervt hier niemand, dieses ständige Kommunizieren mit freundlichem Lächeln und deutlichen „Nein“ ist gar nicht nötig. Warum? Ganz ehrlich, ich glaube, weil noch komplette Nebensaison ist. Denn ohne Zweifel ist diese wunderschöne Stadt hier ein Touristenmagnet, ein Ort, den man in Marokko besucht haben muss, mit Selfie, mit Mitbringsel, mit Handel, für viele auch mit Haschisch. Das ist hier die blaue Lagune Marokkos, wunderschön und Magnet für Reisende.  

Die Medina öffnet an drei Stellen ihre Tore, saugt die Menschen ins bunte Universum. Einfach mal Blaumachen ist hier Lebensmotto und Einladung zugleich. Unbedingt hin!

Chefchaouen liegt im Norden Marokkos, im Rif-Gebirge. Foto: Mario Vedder
Chefchaouen liegt im Norden Marokkos, im Rif-Gebirge. Foto: Mario Vedder

Praktische Tipps für Reisende:

  1. Beste Reisezeit: Frühling (April bis Juni) und Herbst (September bis November) sind ideal. Im Sommer kann es heiß werden, im Winter sind die Nächte sehr kühl.
  2. Anreise: Chefchaouen ist am einfachsten über Tetouan oder Tanger zu erreichen. Von beiden Städten fahren regelmäßig Busse und Taxis.
  3. Geld: Es gibt mehrere Geldautomaten in der Medina, doch es ist ratsam, genügend Bargeld mitzubringen.
  4. Kleidung: Da Chefchaouen eine eher konservative Stadt ist, empfiehlt es sich, die Schultern und Knie zu bedecken, besonders in der Medina.
  5. Unterkünfte gibt es für jedes Budget, vom einfachen Hostel mit Schlafsälen bis hin zu komfortablen Hotels und Riads

Zusätzliche Tipps für einen Rundgang durch die Medina

  • Zeitplanung: Beginne früh am Morgen, um die ruhigeren Stunden in den Gassen zu genießen. Alternativ ist auch der späte Nachmittag ideal, um die Farben der goldenen Stunde einzufangen.
  • Fotografieren: Viele Einheimische schätzen es nicht, fotografiert zu werden. Frage höflich um Erlaubnis, wenn Menschen im Bild sind.
  • Schuhe: Trage bequeme, rutschfeste Schuhe, da die kopfsteingepflasterten Straßen oft uneben und teilweise steil sind.
  • Pausen: Plane genügend Zeit für Pausen in den Cafés oder auf dem Place Outa el Hammam ein, um die Atmosphäre aufzusaugen.

Marokkanisches Fremdenverkehrsamt

visitmorocco.com
Offizielle Website des marokkanischen Tourismusministeriums mit Informationen zu Reisezielen, Sehenswürdigkeiten und Aktivitäten in ganz Marokko, inklusive Chefchaouen.

CTM-Busgesellschaft

ctm.ma
Website der marokkanischen Busgesellschaft CTM mit Fahrplänen und Ticketbuchung. Verbindungen nach Chefchaouen von Tetouan, Tanger oder Casablanca.

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