Unter dem schweren Himmel Limmens: Ein Meer aus Tulpen

Von Oliver Abraham und Mario Vedder (Fotos)
Leuchtende Tulpen, es riecht fein nach Blumen
Limmen, Provinz Nord-Holland, Niederlande. Unter dem schweren Himmel mit drohend dunklen Wolken, die vom Regen künden, leuchten die Tulpen nur umso schöner. Es riecht fein nach Blumen. Oh doch! Auch manche Tulpen können duften, und sie wachsen hier in diesem großen Blumengarten in Holland in phantastischen Formen und Farben, manche in bizarrer Pracht. Bisweilen so schön, als ob ein alter Meister niederländischer Malkunst sie auf die Leinwand gebracht hätte. Die Rembrandt-Tulpe, nur zum Beispiel.

Tulpen wachsen hier hauptsächlich im Hortus Bulborum (und andere Arten auch), aber sage niemand, dass Tulpen einfach nur Blumen seien! Denn:
Tulpenfieber Holland – Die irre Geschichte der „Tulipmania“
Wer kennt sie schon, die irre Geschichte der „Tulipmania“, die Zeit einer maßlosen Spekulation, zu der manche Tulpenzwiebeln mehr wert waren als einige Jahre Arbeit einbrachten. Damals vor knapp vierhundert Jahren. Als die Welt verrückt gespielt hat und sie am Ende alles verzockt hatten. Nur der Tulpen wegen. Die hier in den Blumenfeldern von Limmen in einer prächtigen, immensen Vielfalt wachsen. Auch die ganz alten Sorten, mit denen der Wahnsinn seinen Anfang nahm.

Wunderschöne Tulpen darunter, die es vielleicht längst nicht mehr gäbe, wenn sich nicht ein paar Leute mit Liebe, Lust und Leidenschaft darum kümmern würden. Denn die Blase platzte, aber die Tulpen lebten weiter. Willkommen im Hortus Bulborum. Wo auch andere historische Blumensorten die Jahrhunderte überlebten. Dem Garten also auch der vielen historischen Tulpensorten. In nahezu allen Formen und Farben, die in den vergangenen Jahrhunderten entstanden sind, heißt es im Hortus Bulborum.

Von Asien in die Niederlande: Die Reise der Tulpe
Ursprünglich stammt die Tulpe wohl aus Vorder- und Mittelasien, vor Jahrhunderten gelangte sie in die Gärten türkischer Sultane, dort wurden zur Tulpenblüte prachtvolle Feste veranstaltet. Wer was war, der hatte Tulpen. Als der Gelehrte und Botaniker Carolus Clusius Ende des 16. Jahrhunderts einen Garten für die Universität Leiden anlegte, brachte er von einer Reise Tulpen in die Niederlande, heißt es im Hortus Bulborum. Dort wurden sie schnell sehr beliebt. Wer es sich leisten konnte, pflanzte sie in seine Parks und Gärten. Am begehrtesten waren damals Sorten mit seltsam geformten, flammenartigen Mustern auf den Blüten. Bald galt ein Garten als unvollständig, so erfährt man im Hortus Bulborum, wenn nicht Tulpen darin blühten.

Historische Sorten im Hortus Bulborum
Zu den ältesten Tulpensorten im Hortus Bulborum gehören „Duc van Tol Tulpen“, die älteste von ihnen soll der Überlieferung nach aus dem Jahr 1595 stammen. Unwesentlich jünger sind Tulpen aus einer anderen Gruppe einfacher, frühblühender Pflanzen – auch sie gehören zu den historischen Sorten und sehen farbenreich nicht nur hübsch aus: Was viele Leute nicht wüssten – es gebe auch süß duftende Tulpen, heißt es bei einer Führung, man möge mal an der „Prins van Oostenrijk“ oder der „Generaal de Wet“ riechen.

Hier haben Tulpen lange, schmale, lilienartige Blüten, dort sind sie gefranst, also in voller Länge eingeschnitten. Bei den sogenannten „Papageientulpen“ gibt es beides – auffallend anders in Form und Farbe. Woher sie stammen, sei unbekannt, klar aber ist, dass eine kleine Kollektion dieser Papageien-Tulpen aus sehr alten Sorten besteht.
Rembrandt-Tulpen: Die Stars der „Tulipmania“
Besonders auffällig sind Tulpen mit mehrfarbigen Blütenblättern, deren Muster wie Flammen aussehen – die Rembrandt-Tulpen. In der Zeit der „Tulipmania“ sei das Interesse an solchen Sorten besonders groß gewesen, heißt es im Hortus Bulborum, dafür seien damals Mondpreise nachgefragt und auch bezahlt worden.


Für drei Tulpen, beziehungsweise deren Zwiebeln, seien in heutiger Währung 5000 Euro bezahlt worden, ist auf der Führung zu erfahren, für andere hätte man sich ein Haus in Amsterdam kaufen können. Erst im vergangenen Jahrhundert entdeckte man, dass diese Farbspiele durch einen Virus hervorgerufen wurden, und dann konnten Züchter solche Zeichnungen auch bewusst herbeiführen.
Der Weg zur ersten Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte
Bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts waren Tulpen in den Niederlanden ein Liebhaberobjekt, zumindest bei denen, die etwas Geld, einen Garten und Zeit dafür hatten. Zunächst wurden Blumenzwiebeln in der Regel einfach untereinander getauscht. Dann entdeckten Spekulanten und Geschäftemacher die Tulpen, fortan wurden sie an Terminbörsen und bei Auktionen als Terminkontrakt gehandelt. Es galt nicht mehr „Ware gegen Geld“, und Leute aus allen Schichten spielten mit. Dann seien die Preise für Tulpenzwiebeln in die Höhe geschossen, ist im Hortus Bulborum zu erfahren. Die Preise explodierten förmlich und eine irrationale Finanzentwicklung setzte sich in Gang; dieser Tulpenwahn wird als erste Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte angesehen. Preise verzehnfachten sich innerhalb weniger Wochen. Eine Luftnummer, der dann doch die Puste ausging. Zunächst jedoch:




Tulpenzwiebeln wurden bald auf dem Papier verkauft, so ist auf einer Führung zu erfahren, solche, die noch in der Erde steckten. Ein Termingeschäft, bei dem auf die kommende Blütensaison gewettet wurde – niemand wusste, wie diese Tulpen tatsächlich aussehen würden und wie viel Geld diese Tulpe wirklich in barem, echten Geld einmal einbringen würde. Diese Terminkontrakte seien mit Gewinn immer weiter verkauft worden, die Tulpenzwiebeln – sie steckten noch im Boden – immer wertvoller geworden, so erfährt man im Hortus Bulborum weiter, dieser Handel habe sich zu einem Wahnsinn entwickelt, der in den Niederlanden beispiellos sei.
Verrückte Tulpen-Geschichten
Es sind verrückte Tulpen-Geschichten: Für ein paar Handvoll Zwiebeln manch begehrter Tulpe hätte ein normaler Mensch einige Jahre arbeiten müssen, für andere gab es den Gegenwert von ein paar Tonnen Fleisch. Und im Hortus Bulborum kennt man natürlich auch diese Geschichte: Im Februar 1637 wurden in Alkmaar Tulpenzwiebeln zugunsten der sieben Kinder von Wouter Winkel und seiner Frau versteigert, beide waren verstorben und die Kinder lebten in einem Waisenhaus. Bei der Versteigerung seien 90.000 Gulden zusammengekommen – ein Millionenvermögen in heutiger Zeit. Die Tulpenzwiebeln, bald sehr begehrter Sorten, hatte Wouter Winkel zuvor günstig gekauft.

Glück gehabt, denn nur Tage später platzte die Blase und der Markt brach zusammen, viele Bürger waren ruiniert und die Spekulation hatte der niederländischen Wirtschaft einen schweren Schaden zugefügt. Die Wette war verloren. Und diese Geschichte, die „Tulipmania“, lebt als Beispiel für Gefahren der Wirtschaftsspekulation bis heute weiter. Viele der historischen Tulpensorten aber wären verloren, wenn nicht vor hundert Jahren ein Lehrer aus Limmen eine Idee gehabt hätte:
Die Rettung der historischen Tulpen: Pieter Boschman und der Hortus Bulborum
Pieter Boschman war Schulleiter und Gartenbaulehrer in Limmen, einem Dorf nördlich von Amsterdam und nicht weit von Alkmaar gelegen. Im Jahr 1924 habe Boschman mit Sorge gesehen, dass viele der alten, historischen Tulpensorten – manche von ihnen mehrere hundert Jahre alt – vom Aussterben bedroht gewesen seien, heißt es im Hortus Bulborum, Boschman habe nicht gewollt, dass sie verschwänden, denn manche Sorte sei es längst gewesen. Was an Tulpen nicht verkauft werden konnte, was außer Mode geriet, wurde auch in der Regel nicht mehr angebaut, es brachte schließlich keinen Ertrag.

Pflanzen, Tulpen, sollten am besten leben, sie müssen wachsen, wenn ihr Erbe erhalten werden soll. Was weg ist, ist weg. Und wer weiß, ob eine außer Mode geratene Sorte irgendwann vielleicht nicht doch wieder angesagt sein sollte. Alles, was man im Hortus Bulborum habe, sei irgendwann mal auf dem Markt gewesen, oft seien bestimmte Sorten nur eine Zeitlang im Handel, heißt es auf einer Führung. So betrachtet ist der Hortus Bulborum auch ein botanisches Back-Up, eine lebende Gen-Bank, eine Versicherung, dass die einzelnen Sorten nicht mehr aussterben. Falls etwas wieder interessant werden sollte, dann haben sie es hier. Manches gebe es nur noch im Hortus Bulborum.

Boschman habe damals damit begonnen, die historischen Tulpenzwiebeln zu sammeln und sie in seinem Garten in Limmen neben der Kirche zu pflanzen, so ist es im Hortus Bulborum zu erfahren. Boschmann lernte einen Züchter anderer Blumen kennen, der mit seinen historischen Hyazinthen-Sorten dasselbe Problem hatte – viele Sorten, die es zu retten galt, aber kaum noch Platz, diese anzupflanzen. So gründeten beide im Jahr 1928 den Hortus Bulborum und sie bekamen Grundstücke für ihre historischen Pflanzensammlungen – hier an der alten Kirche von Limmen.

Information:
Außer den mehr als 2650 Tulpensorten und -spezies gibt es im Hortus Bulborum mehr als 1.100 verschiedene Sorten Narzissen (zu denen die Osterglocken gehören), außerdem eine Sammlung an Krokussen (ungefähr hundert verschiedene Sorten), Hyazinthen (ebenfalls rund hundert Sorten, nahezu alle historisch bis ins Jahr 1560) und 25 Sorten Kaiserkronen. Die Blumen sind übersichtlich in Gruppen und Beeten angeordnet. Man kann Blumenzwiebeln kaufen, wird fachkundig beraten und es gibt ein kleines Café zur Einkehr. Hortus Bulborum liegt im Ort Limmen (Gemeinde Castricum), nördlich von Amsterdam, Zuidkerkenlaan 23a, 1906 AC Limmen. Öffnungszeiten beachten. Über aktuelle Öffnungszeiten, in der Regel bis Mitte Mai, Eintrittspreise und der Möglichkeit einer Führung informiert die Homepage: www.hortus-bulborum.nl
Diese Reise wurde unterstützt vom niederländischen Büro für Tourismus.
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