Von Oliver Abraham

Emden, Borkum Die Gleise enden an den Prellböcken und das Land ist hier zu Ende. Das Bugsierschiff „Finn“ läuft aus, um in einem anderen Teil des Hafens Frachter an die Kaje zu manövrieren. Drähte singen im Wind und die Dämmerung kommt früh an diesem Tag. Es sieht schon morgens so aus, als ob er längst zu Ende wäre.

Lichter weisen den Weg Richtung Borkum

Je dunkler es wird, desto mehr Lichter am Meer zeigen sich im dunklen Wasser. Foto: Oliver Abraham
Je dunkler es wird, desto mehr Lichter am Meer zeigen sich im dunklen Wasser. Foto: Oliver Abraham

Die Lichter am Meer spiegeln sich in den Pfützen an der Hafenkante und die Passagier-Halle am Emder Außenhafen ist hell, fast feierlich erleuchtet. Je dunkler es wird, desto mehr Lichter sind zu erkennen – nah und hell hier, nadelspitz, farbig und fern dort. Was bedeuten sie, was ist ihr Geheimnis? Sie haben eine Bedeutung, wirken wie ein Code. Sie befeuern nicht nur Wasserstraßen allein, sondern auch Gefühle an. Und diejenigen, die um ihre Geheimnisse wissen und den Code entschlüsseln können, bringen uns jetzt rüber nach Borkum.

Maritimes Flair: Aufbruch nach Borkum

Es ist maritim, es ist romantisch. Ein Schiff kommt und wird mich mitnehmen. Ich blicke durch die deckenhohen Fenster der Passagier-Halle und sehe zu, wie die Borkum-Fähre MS „Münsterland“ anlegt.

Ich sehe Tonnen zur Fahrwassermarkierung. Seeleute sprechen von der „Befeuerung“. Auf dem bewegten Wasser tanzen und wie sich ihre Lichter auf und ab bewegen in heiterem Spiel. Die Wellen im Hafenbecken verwerfen das Weiß und Rot und Grün der Lampen und Signalanlagen. Licht, hier am Hafen und bald an der Küste, ist fast überall zu sehen. Kleine Punkte Orientierung in weltraumgroßem Dunkel. Mal still, mal blinkend. Geheime Zeichen, phantastisch und faszinierend.

Häfen: Orte der Ankunft und des Aufbruchs

Es ist ein trüber, düsterer Tag und um kaum halb Fünf Uhr beginnt die Nacht zu fallen. Häfen sind Orte von Ankunft und Aufbruch gleichermaßen. Sie bedienen das Bedürfnis nach Sicherheit – gerade an einem Tag mit solch wildem Wetter – und dem Wunsch loszufahren, Fernweh zu stillen.

Die MS Münsterland wartet auf den den Aufbruch Richtung Borkum. Die Lichter am Meer weisen den Weg. Foto: Oliver Abraham
Die MS Münsterland wartet auf den den Aufbruch Richtung Borkum. Foto: Oliver Abraham

Warmes Licht fließt aus den Fenstern der MS „Münsterland“ in den frühen Abend und Niesel weht in Schleiern vorüber. Passagiere verbringen ihre Überfahrt nach Borkum, vielleicht bei einer Tasse heißen Tee, lieber unter Deck. Dabei ist es gerade an solchen Tagen draußen schön.

Die Wehmut des Aufbruchs: Abschied vom Land

Ebenso wie der Regen verwehen die Worte im Wind, die aus den Lautsprechern tönen und von der Abfahrt künden. Ich bleibe wetterfest angezogen zunächst draußen an Deck und sehe zu, wie sich das Feste und Verbindliche, so wie das Land selbst, langsam verabschieden und sich auflösen.

Es sind Augenblicke von Wehmut und Melancholie, aufzubrechen und loszulassen gerade an Tagen wie diesen.

Geschäftigkeit im Industriehafen „Autoport Emden“

Hier noch die Geschäftigkeit des „Autoport Emden“, wo verpackte Neuwagen zu Tausenden auf ihre Verschiffung nach Übersee warten. Bugsierschiffe bewegen sich an einen Autofrachter, so riesig, dass sich seine Aufbauten in der Dunkelheit zu verlieren scheinen.

Verpackte Neuwagen warten in Emden auf ihre Verschiffung nach Übersee. Foto: Oliver Abraham
Verpackte Neuwagen warten auf ihre Verschiffung nach Übersee. Foto: Oliver Abraham

Dort schon die Einsamkeit, die Dunkelheit über der Außenems. Der kleine Strom ist hier zu Ende und ebenso wie wir auf dem Weg Richtung offener See. Windkraftanlagen blinken rot und wie irre.

Lichter am Meer: Orientierung auf der Fahrt nach Borkum

Stehe ich an einem Hafen und sehe Schiffe, will ich mitfahren. Stehe ich auf einem Schiff, freue ich mich aufs Ankommen. Ein seltsamer Reiz ebenso, wie mit Wohlgefühl in nasser, kalter Dunkelheit an Deck zu stehen und den Lichtern zuzusehen, wie sie vorüber ziehen.

Sie tauchen auf und verschwinden wieder. So erkenne ich in der Dunkelheit, dass wir uns überhaupt bewegen. Und wohin. Diese Lichter – auf Fahrwassertonnen, im Quermarkenfeuer, als Positionslichter auf anderen Schiffen, die Leuchttürme – bedeuten Sicherheit. Deswegen leuchten sie ja am Meer und auf See.

Man muss diese Lichter des Meeres nur lesen können, sie verstehen.

Die Bedeutung der Seezeichen: Lichter als Wegweiser

Das vielleicht schönste Gefühl dieser Reise wird sein, in vier Tagen zuzusehen, wie eben diese Lichter sicher und verlässlich zurückführen in den Hafen auf dem Festland. Sie befeuern den Weg nach Hause.

Lichter ziehen vorüber. Foto: Oliver Abraham
Lichter ziehen vorüber. Foto: Oliver Abraham

Darauf ist Verlass, ebenso wie auf die Leute, die dieses Schiff führen und um all diese geheimnisvollen Lichter am Meer und ihrer Bedeutung Bescheid wissen.

Historische Leuchttürme: Orientierung und Sicherheit

Im Industriehafen steht ein kleiner Leuchtturm. Er wirkt, obwohl neun Meter hoch, winzig vor dem Frachter und den Anlagen der industriellen Autoverladung. Es ist ein alter, schöner, historischer Bau. Man muss schon genau hinschauen, um ihn zu entdecken.

Das Türmchen steht seit 125 Jahren auf der Emder Westmole und markiert mit seinem roten Licht die Einfahrt zum Emder Hafen. Hier und heute steht es an unserer Ausfahrt.

Der Tag geht zu Ende im Hafen von Emden. Foto: Oliver Abraham
Der Tag geht zu Ende im Hafen von Emden. Foto: Oliver Abraham

Bugsierarbeit und Lichter der Nacht: Sicherheit auf See

Die PS-starken Bugsierschiffe tanzen während ihrer Arbeit auf den Wellen. Diese wirken bescheint, schwarz wie Öl. Diese Szene ist erhellt und die Schiffsscheinwerfer strahlen in die Dunkelheit über der Außenems.

Auch die Fähre selbst hat zwei starke Scheinwerfer, deren Licht in die Nacht greift und auf das grau-grüne, zunehmend bewegtere Wasser zeigt. Wer durch die beschlagenen und vom Niesel nassen Scheiben blickt, sieht Bilder, die mehr und mehr wie ein expressionistisches Werk wirken und sich langsam auflösen. Nur noch Farben nun statt Formen.

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Ein roten Licht im Hafen von Emden. Foto: Oliver Abraham

Seekarten und Navigation: Der Quermarkenfeuer

Auf der deutschen Seite der immer breiter werdenden Außenems, wo die genaue Lage der Grenze zu den Niederlanden noch immer umstritten ist, steht der Radarturm Wybelsum. Oben drauf befindet sich ein Quermarkenfeuer – sein Licht erscheint erst weiß, dann rot, dann wieder weiß.

Die Geheimnisse der Lichter am Meer. Foto: Oliver Abraham
Die Geheimnisse der Lichter am Meer. Foto: Oliver Abraham

Während ein Leuchtturm einen festen Punkt anzeigt, markiert ein Quermarkenfeuer einen genau bestimmten Winkelabschnitt quer zum Kurs.

Die Lichter des Meeres: Sicherheit und Orientierung

Zunächst erscheint das Licht des Quermarkenfeuers weiß und kündigt damit einen Bereich zum Kurswechsel an. In dem nun folgenden und ebenfalls exakt bestimmten Winkelabschnitt erscheint das Licht des Quermarkenfeuers rot. Auf Seekarten ist das genau eingezeichnet.

Wieder weiß bedeutet, dass wir uns erneut in einem anderen Sektor befinden.

Die Geheimnisse der Lichter am Meer. Foto: Oliver Abraham
Die Geheimnisse der Lichter am Meer. Foto: Oliver Abraham

Lichter am Horizont: Der Quermarkenfeuer und seine Bedeutung

Man möge sich übrigens nicht in der Intensität solcher, bisweilen klein und nadelspitz wirkender Lichter täuschen, denn sie tragen oft zehn Kilometer und mehr. Ich erkenne Lichter sowohl in der Trichter-Mündung der Ems, die längst wie ein Meer wirkt, als auch auf See und zunehmend ferner an Land – weiß, orange, rot, ein seltsames blau-grün.

Aber allzu viel gibt es jetzt nicht mehr zu sehen, zudem wird es ungemütlich und bis Borkum ist noch Zeit. Ich gehe rein.

Das Ziel vor Augen: Die Lichter von Borkum

Kurz vor dem Hafen der Insel tauchen die Lichter am Meer wieder deutlicher auf. Zunächst traumhaft und wie im leeren, schwarzen Raum schwebend. Dann klarer: Gelbe Rechtecke, angestrahlte Tafeln, sind es nun am Ende der Mole, über mächtig schwappendem Wasser, das hoch bis zur Kante steht.

Die Promenade liegt im warmen Licht, ein starker Kontrast zu den schwarzen Wolken auf See. Foto: Oliver Abraham
Die Promenade liegt im warmen Licht, ein starker Kontrast zu den schwarzen Wolken auf See. Foto: Oliver Abraham

Dazu weißes, rotes, gelbes Licht; der Hafen mit Bus und Insel-Bähnlein gleißend hell erleuchtet. Manch Lichtszene wirkt durch die Fenster betrachtet, über die das Wasser vom Sturm verweht in Schlieren und alle Richtungen läuft, abermals wie ein expressionistisches Gemälde.

Der Sturm auf Borkum: Ein leuchtender Hafen in der Dunkelheit

Zudem hat dieser hellerleuchtete Hafen auf einer Insel etwas zunächst Irreales – weit weg vom Rest der Welt und geduckt unter dem Sturm, ein leuchtender Punkt in weltraumgroßer allumspannender Dunkelheit.

Gischt und wilde Wellen. Foto: Oliver Abraham
Gischt und wilde Wellen. Foto: Oliver Abraham

Solche Lichter am Meer, also Seezeichen für die Navigation, gibt es an der Nordsee seit mindestens dem 13. Jahrhundert. Damals hängte man eine Lampe in einen Turm an der Elbmündung.

Jedes dieser Lichter hat heute seine ganz bestimmte Bedeutung und ist klar zu definieren. So ist zum Beispiel jeder Leuchtturm an einer speziellen, nur diesem zugeteilten und ihm typischen Abfolge und Dauer der Lichtzeichen zu identifizieren. Tagsüber an seinem, ihm ebenfalls eigenen, Farbanstrich – ein Code.

Angekommen auf Borkum: Der letzte Blick auf den Leuchtturm

Angekommen. Über den Nachthimmel der Insel Borkum streicht das Licht des großen Leuchtturms, der Turm weist auch den Weg in den Ort. Rote Rücklichter der Autos verschwinden in der Dunkelheit.

Dunkle Wolken hängen am Himmel vor Borkum. Foto: Oliver Abraham
Dunkle Wolken hängen am Himmel vor Borkum. Foto: Oliver Abraham

Das Sturmtief wird über die nächsten beiden Tage tüchtig zulegen. Am kommenden Tag erlauben Wind und Wetter noch einen Ausflug zum Hafen. Stürmischer Wind und stürmische See können Freude machen, wenn man sich ihnen stellt. Wird es noch wilder, wird´s gefährlich.

Das Spiel von Sturm und See: Lichter am Meer bei Nacht

Die Mole reicht weit in die See, die inzwischen zu kochen scheint. Ein Vogelschwarm verweht wie Konfetti im Wind über den Dalben.

Die eine weiß angestrahlte Tafel scheint vor dem düsteren Himmel zu leuchten. Im Hafen liegt der, mit stets vorgewärmten Motoren und rund um die Uhr einsatzbereiter Besatzung, immer zum Auslaufen bereite Seenotkreuzer. Seine Positionslichter sind in der Trübseligkeit dieses Wintertages ebenfalls gut zu sehen.

Die See im Hafen von Borkum wird zunehmend wilder. Foto: Oliver Abraham
Die See im Hafen von Borkum wird zunehmend wilder. Foto: Oliver Abraham

Gischt fliegt über das Meer und im Hafen schwappt das Wasser zunehmend wilder. Ich spüre die Gewalt des Meeres jetzt. Lichtfinger brechen aus den Wolken und jagen über die See. Am Ende der Molen trotzen zwei Lichter – eines grün, das andere rot – tapfer der Naturgewalt. Wer jetzt noch draußen ist, wird gewiss froh sein, diese Lichter zu sehen und damit den sicheren Hafen zu erkennen. Heimwärts jetzt.

Sturmflut und das wilde Meer: Lichter als Wegweiser

Im Ort ist der Übergang an den Strand wegen des fliegenden Sandes nur rückwärts zu bewältigen. Steht man oben auf dem Deich, kann man wieder kucken. Manche Bank versinkt im Sand, Dünen kriechen hier über die Promenade und krachen anderswo vor den Wellen zusammen.

Lampen am Strand modellieren ein warmes Licht. Foto: Oliver Abraham
Lampen am Strand modellieren ein warmes Licht. Foto: Oliver Abraham

Der fliegende Sand knistert und knirscht und prickelt. Ein einsamer Wanderer macht Pause hinter dem Pavillon, sammelt vielleicht Kraft für seine nächste Etappe. Noch ein Unentwegter, der dieses wilde Spiel erleben will. Die Wellen laufen weit auf und draußen über den Untiefen der vorgelagerten Sandbänke dröhnt die weiß tobende Brandung.

Faszination Sturm: Lichter als Symbol der Sicherheit

Die Lampen auf der Promenade tauchen Abschnitte des Strands in goldenes Licht. Was für ein starker Kontrast zum dunkel schwarz-blauen Himmel. Der Sturm jault und dröhnt und drückt, es ist intensiv.

Das Licht des Leuchtturms streicht über den Ort und die See. Noch ist das ein Gefühl des Aufgehobenseins, aber es wird jetzt Zeit zu gehen.

Böen mit Spitzengeschwindigkeiten von 140 km/h wird man an der Nordsee messen und ein Hochwasser von drei Metern über Normal. Das war eine Sturmflut, das war ein Orkan. Die Lichter am Meer aber, die sind nicht ausgegangen.

Dunkle Wolken hängen am Himmel vor Borkum. Foto: Oliver Abraham
Dunkle Wolken hängen am Himmel vor Borkum. Foto: Oliver Abraham
Informationen zum Reiseziel: Borkum und Umgebung

Diese Reise wurde unterstützt von Tourismusmarketing Niedersachsen.

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