Von Oliver Abraham

Hoogeveen/Nieuw Amsterdam, Provinz Drenthe (Niederlande).  „Wussten Sie, dass van Gogh hier in unserer Provinz gewesen ist?“ Nein, das wissen wohl nur die Wenigsten.

Auf den Spuren des niederländischen Malers Vincent van Gogh in der Provinz Drenthe. Foto: Mario Vedder
Auf den Spuren des niederländischen Malers Vincent van Gogh in der Provinz Drenthe. Foto: Mario Vedder

Was der junge Vincent van Gogh an Drenthe liebte

Vincent van Gogh in Drenthe in den Niederlanden. Video: Mario Vedder

Der Maler Vincent van Gogh war damals 30 Jahre alt und wusste nichts mit seinem Leben anzustellen.

Auf den Spuren des niederländischen Malers Vincent van Gogh in der Provinz Drenthe. Foto: Mario Vedder
Auf den Spuren des niederländischen Malers Vincent van Gogh in der Provinz Drenthe. Foto: Mario Vedder

„Bin ich ein Künstler, werde ich je einer sein?“

Vincent van Gogh musste dringend an die frische Luft. Foto: Mario Vedder
Vincent van Gogh musste dringend an die frische Luft. Foto: Mario Vedder

Seine Fragen, seine Zweifel. Er zweifelte an seinem Tun, lebte in Den Haag und richtig rund lief es nicht – Vincent van Gogh musste dringend an die frische Luft.

Van Gogh liebte die Natur in der Provinz Drenthe. Foto: Mario Vedder
Van Gogh liebte die Natur in der Provinz Drenthe. Foto: Mario Vedder

„Geh nach Drenthe, geh in die Natur, die du so liebst.“ Dort, das sagte sein Freund und Maler Anton van Rappard, findest du Ruhe. Dieses Land macht gelassener.

Heily Stoel vom van-Gogh-Haus in Nieuw Amsterdam/Veenoord. Foto: Mario Vedder
Heily Stoel vom van-Gogh-Haus in Nieuw Amsterdam/Veenoord. Foto: Mario Vedder

„Vincent van Gogh kam auch hierher, um sein zeichnerisches Niveau zu verbessern. Um sich ausschließlich auf die Kunst zu konzentrieren.“  Das sagt Heily Stoel, sie ist Vorsitzende des van-Gogh-Haus Drenthe in Nieuw Amsterdam/Veenoord.

In Nieuw Amsterdam kam Vincent van Gogh an. Foto: Mario Vedder
In Nieuw Amsterdam kam Vincent van Gogh an. Foto: Mario Vedder

Van Gogh suchte die Inspiration

Hier kam der Künstler nach einer mehrstündigen Fahrt, von seiner ersten Station in dieser Gegend, mit einem Kahn an, hier fand er Aufnahme und Unterkunft. „Vincent van Gogh suchte die Natur, die Inspiration“, sagte Heily Stoel, „… und manchmal muss man alles loslassen, um vorwärts zu kommen.“

Ein Haus der wenig bekannten Schaffensphase

Vor dem Haus liegt der Kanal, die „Hoogeveensche Fahrt“, auf solchen Wasserstraßen fuhren die Kähne einst im Fahrplan-Takt durch die Provinz. Das Haus, das nun das Museum beherbergt, war bis Ende der 1990er-Jahre ein Restaurant und sollte abgerissen werden, berichtet Heily Stoel während einer Führung, Kulturliebhaber verhinderten das. Seit 2003 ist das Gebäude das „Van Gogh Huis Drenthe“. Hier wird die wenig bekannte Lebens- und Schaffensphase des Künstlers in Drenthe erzählt. Um Besucher auf seine Spur zu setzen, um das Unbekannte zu entdecken. 

Das Van Gogh Haus Drenthe. Foto: Mario Vedder
Das Van Gogh Haus Drenthe. Foto: Mario Vedder

Prägende Zeit in Drenthe

Vincent van Gogh hielt sich hier von Anfang Oktober bis Anfang Dezember des Jahres 1883 auf, in der Provinz Drenthe insgesamt nicht länger als drei Monate. Wohl auch deshalb ist wenig bekannt, dass der gebürtige Niederländer van Gogh hier für kurze Zeit gelebt und gearbeitet hat – er zeichnete, malte und skizzierte. Der Aufenthalt in Drenthe wird als eine prägende, als eine wichtige Zeit für den Künstler betrachtet.

Unterwegs in der Provinz Drenthe. Foto: Mario Vedder
Unterwegs in der Provinz Drenthe. Foto: Mario Vedder

Regelmäßige Briefe an den Bruder

Van Gogh wanderte viel, und er schrieb regelmäßig Briefe an seinen Bruder Theo, Kunsthändler und Unterstützer Vincents. Aus diesen Briefen wird die Bedeutung der Provinz, der Natur und „Ur“-Landschaft Drenthes, auch ihrer Menschen, für Vincent van Gogh deutlich.

Vincent van Gogh auf einer Bauruine in Nieuw Amsterdam. Foto: Mario Vedder
Vincent van Gogh auf einer Bauruine in Nieuw Amsterdam. Foto: Mario Vedder

Die Briefe hängen als vergrößerte Kopie im Museum. Klassische Ausstellung und multimediale Aufbereitung führen die Besucher durch die Gedanken des Künstlers und diese Welt, in der er Inspiration suchte, Motive wie Sujets und auch Ruhe fand. Seine Zeilen spiegeln Eindrücke wieder, die man so noch heute hier finden kann. Das Museum ist ein perfekter Start für Ausflüge.

Noch heute prägen Wasserstraßen die Provinz Drenthe. Foto: Mario Vedder
Noch heute prägen Wasserstraßen die Provinz Drenthe. Foto: Mario Vedder

Skizzen von Menschen und Gegend

„Während der Fahrt mit der Treckschute von Hoogeveen nach Nieuw Amsterdam sah van Gogh immer vollbeladene Torfkähne auf den Wasserstraßen, gestapelten Torf an den Kais, er sah Menschen bei der Arbeit“, berichtet Heily Stoel, „er fertigte Skizzen von den Menschen und der Gegend an.“

Transparente Schautafeln entlang der Wanderwege zeigen den Blickwinkel Vincent van Goghs. Foto: Mario Vedder
Transparente Schautafeln entlang der Wanderwege zeigen den Blickwinkel Vincent van Goghs. Foto: Mario Vedder

Düstere Bilder vom Leben der Bauern

Es sind bisweilen düstere Bilder, wie das zweier Frauen, die gebückt in einem Moor bei Nieuw Amsterdam unter einem schweren dunklen Himmel arbeiten, neben sich die Schubkarre auf dunklem Moorboden, alles in Grautönen. In Braun und Sepia das Bild eines Bauern, der Unkraut in einem kokelnden Feuer verbrennt. Ferner Bauerngehöfte an Kanälen, Frauen auf einem Torfkahn – all das zeigt die harte, erschöpfende Arbeit der Menschen in einer harschen Landschaft. Kleinbäuerliche Fron, idyllisch wohl kaum.     

Das Van-Gogh-Haus in Drenthe

Heily Stoel ist Vorsitzende des van-Gogh-Haus Drenthe in Nieuw Amsterdam/Veenoord. Foto: Mario Vedder
Heily Stoel ist Vorsitzende des van-Gogh-Haus Drenthe in Nieuw Amsterdam/Veenoord. Foto: Mario Vedder

Kanal, Zugbrücke, Kähne, Windmühle – in Nieuw Amsterdam/Veenoord, direkt an einer Wasserstraße, liegt das Van-Gogh-Haus Drenthe; hier kam der Maler an, hier blieb er zwei Monate. Hier fand er ein Zimmer „mit gutem Licht“ (also nach Norden raus), unten war das Gasthaus. „Obwohl kein reiner Landschaftsmaler, suchte van Gogh die Natur – er wollte Menschen in der Natur darstellen“, berichtet Heily Stoel, „und er hatte die Hoffnung, dass die Natur ihm in seiner künstlerischen Entwicklung förderlich sein könnte.“

Auch deshalb die Reise und der Aufenthalt in der „Ur“-Landschaft. „Van Gogh war inspiriert von der Landschaft Drenthes als letzte ursprüngliche Landschaft der Niederlande“, sagt sie, „sein Aufenthalt in Drenthe war ein entscheidender Faktor in seiner künstlerischen Entwicklung.“   

Der Schrank im Erdgeschoss des Van Gogh Hauses ist original. Foto: Mario Vedder
Der Schrank im Erdgeschoss des Van Gogh Hauses ist original. Foto: Mario Vedder

Ein Bett, die Waschkommode und eine Farbpalette

Der Schrank im Erdgeschoss und ehemaligem Gastraum ist original, ebenso die ochsenblutrot gestrichenen und abgetretenen Dielen im ersten Stockwerk. Auf dem Weg in die Kammer des Künstlers riecht es nach Holz und Pappe, das Zimmer selbst ist kaum größer als drei mal dreieinhalb Meter. Darin steht ein Bett, die Waschkommode. Eine Farbpalette und Pinsel liegen auf einem kleinen Tisch und es wirkt, als ob der Künstler gleich wiederkäme. Tatsächlich fühlt man sich in diesem Zimmer und dem historischen Haus in die Zeit zurückversetzt.

Originale gibt es im Drents Museum

„Originalwerke von van Gogh kann man bei uns zwar nicht besichtigen, das kann man zum Beispiel im Drents Museum in Assen, aber unser Museum ist das einzige öffentlich zugängliche Haus in den Niederlanden, in dem Vincent van Gogh gelebt und gearbeitet hat“, berichtet Heily Stoel.               

Die Wanderungen auf den Spuren Vincent von Gogh sind gut ausgeschildert. Foto: Mario Vedder
Die Wanderungen auf den Spuren Vincent von Gogh sind gut ausgeschildert. Foto: Mario Vedder

Wandern auf den Spuren Vincent van Goghs

Vincent van Gogh kam in Hoogeveen an, hier beginnt eine der möglichen Wanderungen auf den Spuren Van Goghs, diese wurde „Neubeginn“ benannt. Der Weg führt aus dem Ort hinaus in eine feuchte, saftig-satte Wiesenlandschaft, es riecht nach Flieder und nach Kohlenfeuer. Auf dem Hinweisschild am Weg steht „Sibirien“ und die Vögel singen, rufen, zwitschern. Weit weg vom Rest der Welt gelegen kommt eine Aura des Ursprünglichen auf, die wohl auch Vincent van Gogh gespürt haben muss, der eben erst aus dem städtischen Den Haag hergekommen war. 

Zu Fuß und auf sogenannten Treckschuten, also von am Ufer der Kanäle gelegenen Treidelpfaden und mittels Pferden gezogenen Fracht- und Passagierkähne, erkundete van Gogh diese Provinz. Eine Gegend, die sich damals im Umbruch befand. Die riesigen Moore, einst unnütz und unbesiedelt, wurden zunächst trockengelegt, der Torf war als Brennstoff begehrt. Deshalb gibt es hier überall Kanäle, sie dienten zum Transport des abgebauten Torfes.     

Der Pfad führt über einen Damm. Foto: Mario Vedder
Der Wanderweg führt über einen Damm. Foto: Mario Vedder
Im Licht tanzen Schmetterlinge

Schwertlilien blühen in strahlendem Gelb und bilden einen Kontrapunkt zum dunklen Wasser in den Gräben, die diese Gegend durchziehen. Röhricht rauscht in den Böen, Weidenbäume wispern im Wind. Es ist einsam geworden, kaum ein Mensch ist unterwegs. Haselsträucher begleiten den Weg und im Licht tanzen Schmetterlinge. Der Pfad führt über einen Damm und noch immer riecht es nach einem fernen Feuer. Schafe stehen auf ihrer Weide und Störche am Ufer des großen Grabens.

Theaterspots im amphibischen Land

Es sind Lichtspiele zwischen einer grellen Sonne und dunklen Wolken, die über das weite Land jagen. Lichtflecken wie Theaterspots. Es ist ein amphibisches Land, viel Wasser, links neben dem Pfad liegt das „Oude Diep“, ein breiter, stiller Wasserlauf, ein Schwan schwimmt darauf. Auf den weiten Wiesen stehen einzelne Baumriesen, einer liegt – wohl vom Blitz gefällt – und zu Trümmern zerborsten im Gras.

Dann führt der Weg durch ein Landschaftsmosaik aus Wäldern, Weiden und Ackerland. Birken und Ginster stehen am Weg, ein Eichelhäher fliegt durch den Wald, und kreischt nicht irgendwo ein Pfau? In „Sibirien“ leuchtet ein Tulpenfeld in grellen Farben – rot, weiß, orange – auf dem schwarzen, kultivierten, Moorboden. Kalter Wind fegt über leere Flächen.

Abstecher in eine intakte Moorlandschaft

Eine Birkenallee führt in Richtung einer noch intakten Moorlandschaft. Das „Boerenveensche Plassen“ liegt zwar nicht am offiziellen Wanderweg, ist aber einen Abstecher wert. Das weiße Gefieder der Reiher gleißt vor den schwarzen Wolken, vor dem zunehmend dramatischen und bedrohlicher wirkenden Himmel.

Die Straße ist gepflastert und liegt erhöht auf einem Damm, neben dem Weg ertrinken Bäume in Moortümpeln. In der Ferne ist eine Schafherde zu erkennen, der Wind treibt Regen übers Land. Die düstere Atmosphäre lässt die Blüten der Tulpen auf ihren Feldern am Rand des Moore nur umso knalliger leuchten; orange, lila und blau in diesem Fall. 

Schafe an den Grenzen zwischen Land und Wasser. Foto: Mario Vedder
Schafe an den Grenzen zwischen Land und Wasser. Foto: Mario Vedder

Auf dem Weg von Hoogeveen in den Südosten der Provinz Drenthe gehen endlose Schauer nieder, alles ist Grau in Grau, Grenzen zwischen Land und Wasser, zwischen Himmel und Erde wirken aufgehoben. Ein Land in tiefer Melancholie. Der die Straße begleitende Kanal sieht genauso aus wie der Fahrweg, auf dem Wasser steht; helles Grau und gleiche Breite, in Kurven und immer parallel, an seinem Ufer Alleebäume stoisch im Regen wie ein Parade geisterhafter Soldaten.        

Wege von Irgendwo nach Nirgendwo

Der kommende Tag ist zunächst taufrisch, herrlich klar. Wieder begleiten Alleebäume Straßen und Kanäle, Pferde stehen auf ihrer Weide und ein Hahn schreit irgendwo. Das „Drostendiep“, ein Wasserlauf, führt durch eine Graslandschaft, auf der das Grün in Wellen wogt, Kiebitze fliegen auf, ihre frohen Rufe trägt der Wind fort. Es sind Wege von Irgendwo nach Nirgendwo, so auch diese Allee nahe Grevenberg, die durch eine einsame und melancholisch wirkende Landschaft führt. Im Kanal steht stilles, dunkles Wasser. Der Torfboden des Pfades ist dunkel, schwer und nass, jeder Schritt wippt und schwankt, Riet raschelt und wispert im Wind.

Unter uralten Eichen stehen mächtige Bauernhäuser mit tiefen, dicken Dächern aus Reet. Die Wege durch diesen alten Teil des Dorfes Aalden sind gepflastert, dämmert es, werden Laternen ein heimeliges Licht werfen. Wenn man in den Mooren und Heiden der „Ur“-landschaft Drenthes, an den einsamen Kanälen, der Natur zu Zeiten van Goghs, und damit seinen Eindrücken, am nächsten kommt, dann ist es der dörfliche Charakter seiner Zeit an Orten wie diesen. Es wirkt aus der Zeit gefallen, vor den Häusern leuchten die Blüten in allen Farben eines Bauerngartens.

Wieder spielen Sonne und Wolken ein dramatisches Theater, Licht und Schatten jagen durch Oud-Aalden, Farben flammen auf und Grün leuchtet. Bis ergiebige Schauer fallen, der Regen läuft in Schlieren über die Scheiben eines Gasthauses.         

Informationen:

Van Gogh kam im Herbst 1883 in die Provinz Drenthe. Auf verschiedenen Wander- und Radrouten durch die Natur und Dörfer ist man unterwegs auf den Spuren des Malers. Von manchen Wegen und Stellen ist bekannt, dass Van Gogh hier gegangen ist oder gearbeitet hat. In den Dörfern Oud-Aalden oder Zweeloo zum Beispiel spürt man die Atmosphäre historischer Zeiten, eine Anziehungskraft, die noch heute  Künstler anzieht.

Andere Routen führen durch die Natur, durch noch heute einsame Gegenden, auch sie sind von besonderem Reiz – traumhaft hier, farbstark dort, Natur pur in den Mooren. An mancher Stelle wurden transparente Schautafeln installiert, so lässt sich das Landschaftsbild von damals (mittels Bildern historischer Begebenheiten auf durchsichtigem Medium) mit der Gegend von heute betrachten (die man eben durch das Glas sieht) – so schweben zum Beispiel Bilder alter Katen oder Frauen, die einst im Moor arbeiteten, über den Weiden von heute.  

Die niederländische Provinz Drenthe grenzt an das südliche Niedersachsen und liegt dem Emsland gegenüber. Die Provinz ist landwirtschaftlich geprägt und verfügt über größere, vielfältige  Naturlandschaften wie Moore, Heiden oder Flussauen, es gibt zudem Hünengräber. Besonders gut lässt sich die Provinz auf verschiedenen Routen mit dem Fahrrad erkunden.

Urlaubsland Niederlande: www.holland.com
Reiseziel Provinz Drenthe: www.besuchdrenthe.de
Unser Autor übernachtete in Stieltjeskanaal (Gemeinde Coevorden): www.bij-aquamarijn.nl 
empfehlenswertes Restaurant im Ort Zweeloo: www.aelderstroom.nl
empfehlenswertes Pfannkuchenhaus im Ort Aalden: www.pannenkoekboerderij.nl

(touristische) Informationen zu Van Gogh in Drenthe (Marketing Drenthe):
vangoghdrenthe.de 

Van Gogh Huis Drenthe www.vangogh-drenthe.nl 

Diese Reise wurde unterstützt vom niederländischen Büro für Tourismus und Marketing Drenthe

Alle Angaben ohne Gewähr. Dieser Bericht stellt keine Wertung untereinander und / oder gegenüber anderen Unternehmen, Personen, Waren oder Dienstleistungen o.Ä. dar und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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