Von Oliver Abraham
Zermatt, Schweiz. Breithorn. Jenseits der magischen Grenze! 41 Viertausender stehen im Schweizer Kanton Wallis, ganz oder auf der Grenze. Das Matterhorn, dieser Weltberg natürlich, die Zwillinge Castor und Pollux, hier steht der höchste Berg der Schweiz: die Dufourspitze. Legendäre Berge, himmlische Höhen. Und hier steht das Breithorn; Vier Eins Sechs vier.
Das Breithorn soll mein erster Viertausender sein
Hier steht mein erster Viertausender. Einer von den 41, das sollte doch zu schaffen sein. Ein Viertausender stand schon lange auf meiner Wunschliste. Wie oft habe ich während meiner Bergwanderungen auf diese Panoramen geschaut. Da möchte ich mal rauf. Nur: Ich kann nicht klettern und ich bin kein Bergsteiger. Und gewiss nicht das, was man einen ziemlich sportlichen Typen nennt, ein unbedingter Abenteurer auch nicht. Aber Bergwandern, das geht gut und gerne. Es ging auch alle Jahre auf 3000 Höhenmeter und darüber. Auch im Seil, auch auf Gletschern.
Nur auf 4000 Metern über dem Meer und jenseits davon, da war ich noch nicht. Es wurde dann einfach mal Zeit; wann, wenn nicht jetzt, wo, wenn nicht hier. Wie vielen Bergführern habe ich auf meinen Touren schon von dem Wunsch erzählt. Und sie sagten: dann geh aufs Breithorn. Das nämlich ist eine Hochtour, kein Klettern. Aber einfach mal eben so, das geht natürlich nicht.
Akklimatisierung in Zermatt
Im Gebiet rund um Zermatt in der Schweiz habe ich mich auf die Höhe vorbereitet, mich akklimatisiert. Kondition ist vorhanden und Höhenluft kann ich vertragen, ich habe Erfahrung mit dem Gehen auf Gletschern und im hochalpinen Gelände. Und ich weiß – wenn´s doch nicht geht, dann dreh um. Vielleicht ist die letzte Erfahrung die wichtigste. In Zermatt, dem Ort gelegen am Fuß vom Matterhorn und eben auch dem Breithorn, fand ich mit Denis Gruber einen Bergführer, der mich mitnimmt. Denn für Laien, also Leute wie mich, gilt, es niemals allein zu versuchen. Auch, weil es über Gletscher geht. Respekt sollte man vor jedem Berg haben, die Welt dort oben aber ist eine ganz andere.
Breithorn in Sicht
Das Wetter am frühen Morgen ist stabil und die Bergbahn bringt die Leute auf die Station „Klein Matterhorn“, immer mächtiger erscheint das Gebirge. Das Breithorn kommt in Sicht, mit scharf gezackten, schroffen Flanken, Eisströme fließen vom Berg hinab. Das westliche Massiv mit sanft geschwungenem Grat ist zu erkennen, nach Osten fällt der Grat wieder ein wenig ab. Genau dieser Punkt auf dem westlichen Grat, diese Kuppe, die ist es! Das Breithorn hat keinen Gipfel im klassischen Sinn, da steht kein Kreuz.
Bergführer Denis prüft die Ausrüstung
Die Gondel stoppt, wir verlassen die Station. Bergführer Denis Gruber passt mir den Hüftgurt an, hantiert mit den Seilen und die Karabiner klicken. Später gibt es noch Steigeisen. Jetzt das Briefing, bevor auch nur ein einziger Schritt getan wird. In den kommenden zweieinhalb, drei Stunden wird sich zeigen, wie vermessen mein Wunsch ist. Oder ob er in Erfüllung geht. Ich bin der Schwächste in der Gruppe und gehe als Zweiter gleich hinter Denis. Meine einzige Sorge an diesem Morgen ist tatsächlich die, dass alle umkehren müssen, weil ich es nicht packe.
Eiskalter Nebel über dem Gletscher
Vor dem Breithorn liegt eine weite vergletscherte Fläche, die gesamte Strecke besteht nur aus Schnee, Firn und Eis, sie wird bis zu 35 Grad steil werden. Obwohl wir auf das Breithorn gehen, wird dies als Bergbesteigung bezeichnet. Darf ich mich dann so nennen – Bergsteiger? Eiskalter Nebel wabert über dem Gletscher und das Ziel verschwindet einstweilen aus der Sicht. Ich bin ohnehin erstmal mit dem Gehen beschäftigt, mit dem Seil (das links, den Stock rechts) und dem Einhalten des korrekten Abstandes, mit dem Setzen der Schritte. Das ist nichts völlig Neues, aber es geht mir anfangs immer so. Jetzt heißt es, sich wieder daran zu gewöhnen und den Rhythmus zu finden.
Seilschaft in endloser Ödnis
Eine fahle Sonne steht über unserer Seilschaft. Endlose Ödnis, in diffusem Weiß der Dunst und der Gletscher, grauer, wo sich der Nebel verdichtet. Lichtflecken dort, wo die Wolken aufbrechen. Es ist anfangs nicht großartig, es ist stumpfsinniges Stapfen, immerhin habe ich den richtigen Rhythmus gefunden. Freude wird kommen. Und ich kann mich jetzt auf die Gegend konzentrieren. Was fehlt, ist die Tiefe, sie ist nicht zu sehen. Obwohl der Berg im Norden anderthalb Tausend Meter abfällt, sehe ich im Augenblick nichts anderes als den Rucksack des Vorangehenden. Wir scheinen uns in einem Raum zu bewegen, der ohne Bezug zu seiner Umgebung ist.
Eis ist von Rissen durchzogen
Es wird steiler und wir gehen in Kurven und Schritt für Schritt weiter. Immer weiter. Immer höher. Und niemand tut hier auch nur einen Schritt ohne das OK des Bergführers, denn das Eis ist von Spalten und Rissen durchzogen. Diese Welt ist in Bewegung. Wo sie bricht, ist das schöne Blau des Gletschereises zu erkennen in einer bodenlosen Spalte. Viele dieser Spalten sind von Schnee bedeckt, für meinen Blick sind sie versteckt und ich halte sie für tückisch. Schritte klirren im Schnee, ich habe mir vorgenommen, nicht an Spalten zu denken. Und versuche doch, durch den Schnee hindurch zu sehen. Denis erkennt diese Spalten.
Das Eis mit dem Schnee darauf liegt in Wellen, ist verworfen. An einem hellem Band Schnee erkenne man eine Spalte, so wie diese hier. Je früher der Morgen, desto fester der Schnee, der dann besser trägt. Diese Gefahrstellen sind auch ein Grund, warum die Besteigung des Breithorns kein Spaziergang ist. So trete ich ausschließlich, das ist die klare Ansage jetzt, in die Schritte des Bergführers, und das mit dem richtigen Abstand.
Grandioses Panorama der Berge
Immer wieder kontrolliert Denis das Seil. Ich falle hin, weil ich mich instinktiv gegen die immer stärkere Hangneigung lehne. Ich hätte es besser wissen müssen. Es klart kurz auf und nun sehe ich das grandiose, berückende Panorama der Berge. Es ist jetzt doch himmlisch geworden. Wieder im Nebel und dann der eine Satz, der in seiner Schlichtheit – und ohne jeden Bezug zur Umgebung – dennoch großartig ist: Wir haben gerade die 4.000 Meter passiert, sagt Denis.
Das ist sie, die magische Grenze, wie manche sagen, obwohl absolut nichts davon zu sehen oder zu spüren ist. Auf Stippvisite in himmlischen Höhen also, und kein Jubel, einfach nur da sein und gehen. Doch was für ein inneres Hochgefühl, auch wenn das Auge nichts zum Freuen hat. Würde ich etwas mehr sehen als nur Schnee und Eis in meiner unmittelbaren Umgebung, ich könnte 250 Kilometer weit gucken. Und von hier aus 37 Viertausender sehen. Immer noch konzentriere ich mich auf jeden Schritt, wenngleich das Erreichen des Gipfels nun keine zehn Minuten mehr dauern soll. Luftnot übrigens keine.
Auf Viertausendeinhundertvierundsechzig Metern über dem Meer am Ziel
Nun wird der Grat immer flacher, ein klares Zeichen. Ein ganz klares Zeichen; drei, vier Schritte weiter und es ginge wieder bergab. Sind wir etwa…? Ja, sind wir – jetzt und in exakt diesem Augenblick! Kurz nach zehn Uhr an einem Augustmorgen, bei minus zwei Grad Celsius und mäßigem Wind aus Südwest.
Auf Viertausendeinhundertvierundsechzig Metern über dem Meer. Denis gibt mir die Hand und gratuliert. Endlich reißen die Wolken auf – und da ist sie wieder: die Parade der Viertausender. Auf Augenhöhe jetzt. Ich freue mich im Stillen, es geschafft zu haben.
Information:
– Diese Tour fand mit einem Bergführer der Zermatters statt, einem Anbieter von Ski- und Outdoorangeboten, Berg- und 4000er-Hochtouren in Zermatt, Infos: zermatters.ch
– Informationen zum Urlaubsort Zermatt, z.B. Unterkünfte oder Wandervorschlägen sowie weitere Anbietern: zermatt.ch
– Informationen zum Reiseland Schweiz: myswitzerland.com
– Diese Reise wurde unterstützt von Schweiz Tourismus
– Alle Angaben ohne Gewähr. Dieser Bericht stellt keine Wertung untereinander und / oder gegenüber anderen Unternehmen, Personen, Waren oder Dienstleistungen o.Ä. dar und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
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