Von Mario Vedder

Tabant, Marokko. Der Hohe Atlas. Gleich mehrere Viertausender hat dieses gewaltige Gebirge in Marokko zu bieten und ist damit die höchste Gebirgskette Nordafrikas. Eine karge, raue Landschaft mit gewaltigen Panoramen, einsamen Gipfeln, steinigen Pfaden. Das hier ist das Land der Berber, der Bergnomaden.

Von Tabant im Glücklichen Tal geht es über den Hohen Atlas. Foto: Mario Vedder
Von Tabant im Glücklichen Tal geht es über den Hohen Atlas. Foto: Mario Vedder

Hoher Atlas – Marokkos gewaltigstes Gebirge

Es führen nur wenige Passtraßen über den Hohen Atlas, die höchste Passtraße ist der Tizi ‚n‘ Ticha, die wohl bekannteste der Tizi ‚n‘ Test Pass. Ich wähle eine andere, einsamere Route, die vom Glücklichen Tal ins Rosental, eine wunderschöne Piste, Schotter, gut zu fahren mit einer Royal Enfield Himalayan.

Über den Hohen Atlas vom Glücklichen Tal ins Rosental. Video und Schnitt: Mario Vedder

Die Royal Enfield Himalayan muss über 2000 Meter hoch

Eigentlich bin ich viel zu müde, um diesen Anstieg hier zu fahren. Über 2000 Meter muss ich hoch, ein steiniger Anstieg liegt vor mir, mein Schädel brummt, der Körper schwächelt, gibt der Royal Enfield Himalayan sehr viel Raum zum eigenständigen Fahren. Aber hey, ja, das geht ja immer mit ihr, sie zieht gutmütig den Berg hoch, ins Gebirge rein, die Himalayan ist hier quasi zuhause und ich lasse mich fahren, treiben, den Einzylinder seine Arbeit machen. 

Das Glückliche Tal, Blick von Ait Bou Oulli. Foto: Mario Vedder
Das Glückliche Tal, Blick von Ait Bou Oulli. Foto: Mario Vedder

Vom Glücklichen Tal ins Rosental

Und ich bin glücklich. Glücklich im Glücklichen Tal, auf dem Weg ins Rosental, durch den Hohen Atlas. Oder besser: über den Hohen Atlas. Beide Täler sind so schön, so grün, so friedlich, so nah beieinander und doch schroff von einander getrennt vom höchsten Gebirge Nordafrikas, dem gewaltigen Bergmassiv, das sich in Marokko zwischen Atlantik und Sahara gepflanzt hat.

Pause in Ait Blal, auf dem Weg ins Glückliche Tal. Foto: Mario Vedder
Pause in Ait Blal, auf dem Weg ins Glückliche Tal. Foto: Mario Vedder

Überquerung des Hohen Atlas ist noch immer Herausforderung

Der Hohe Atlas hat mehrere Viertausender, seine Pässe sind atemberaubend und oft schwer oder gar nicht befahrbar, oberhalb von 2000 Metern gibt es nichts als Stein und Fels, als Einsamkeit, Wind und atemberaubende Panoramen. Die Landschaft ist rau, karg. Im Winter oft unpassierbar, im Sommer nur auf einigen wenigen Routen, ist die Überquerung des Hohen Atlas noch immer eine Herausforderung, zumindest abseits der gängigen Routen.

Von Tabant im Glücklichen Tal geht es über den Hohen Atlas. Foto: Mario Vedder
Von Tabant im Glücklichen Tal geht es über den Hohen Atlas. Foto: Mario Vedder

Schotterpiste ist wunderbare Alternative

Die Piste zwischen dem Glücklichen Tal und dem Rosental ist erst seit ein paar Jahren offen, in Teilen anfangs geteert, später eine reine Schotterpiste, manchmal ziemlich ausgewaschen, aber an sich gut befahrbar. Und sie ist eine wunderbare Alternative, um vom Westen ins südöstliche Rosental zu kommen, eine wunderschönen Schlucht im Altlasgebirge, die oft hinter der Dades- oder der Thodhraschlucht zurückstecken muss, warum eigentlich?

Ein Tal voller Rosenduft

Alle drei haben ihre dramatischen Reize, das Rosental soll aber besonders zauberhaft sein, voller Rosenduft und kleiner Gärten. Da will hin, und zwar von Tabant aus, der kleinen Hauptstadt im glücklichen Tal, dem „Vallee Heureuse“. Schon die Fahrt hierher ist ein Traum, die Route führt im groben durch traumhafte Landschaft von Azilal ins „Ait Bougmezz“. Erst noch entlang des Quad Lakhdar, folgen die Orte Demnate, der Berggipfel Ait Blal, Agouti.

Das Glückliche Tal, Blick von Ait Bou Oulli. Foto: Mario Vedder
Das Glückliche Tal, Blick von Ait Bou Oulli. Foto: Mario Vedder

30 Kilometer Hochebene Ait Bougmezz

Das eigentlich Tal der Glücklichen ist dann rund 30 Kilometer lang, zum Teil sehr schmal, aber immer grün und ganzjährig mit Wasser versorgt. Die Hochebene Ait Bougmezz auf rund 1800 Metern hat erst seit 2003 Elektrik, eine asphaltierte Strasse wurde erst 2001 fertiggestellt. Hier ist das Leben noch sehr, sehr ursprünglich, sehr genügsam und doch, oder vielleicht gerade deshalb sehr glücklich. Die Menschen wirken entspannt, fröhlich.

Haupttransportmittel ist der Esel

Immer wieder kreuzen Schafe und Ziegen den Weg, noch immer ist der Esel das Haupttransportmittel. Gestartet bin ich übrigens in Beni Melal, nach einer Nacht in einem Künstlerhaus quasi, einem kleinen Gästehaus, das komplett von Kunst beherrscht ist, Glaskunst, Malerei, Mosaike, Stahl, Holz, jedes Zimmer im anderen Stil, irre, aber davon an anderer Stelle mehr, vom „Maison d’hotes Ait Bou Izryane“. Die Route ins Glückliche Tal führte bis Tabant, inklusive Bodenkontakt der Himalayan und meiner Knochen, glücklicherweise ohne schlimmere Blessuren.

Übernachtung in Tabant im Glücklichen Tal, am Fusse des Hohen Atlas. Foto: Mario Vedder
Übernachtung in Tabant im Glücklichen Tal, am Fusse des Hohen Atlas. Foto: Mario Vedder

Einfaches, zufriedenes Leben

Die Übernachtung im kleinen Gîte Imarin: einfach und herzlich, Essen, Wohnen, Entspannen, nebenan spielen die Kinder auf dem steinigen Fußballplatz, die Tore stehen im Fels, zufriedenes Leben, ich bin glücklich, im Glücklichen Tal. Und das sogar, obwohl es mir gerade nicht mehr ganz so gut geht, ich bin glücklich und blicke zurück ins glückliche Tal.

In Ait Bou Oulli blickt man auf den Hohen Atlas, Marokkos höchstes Gebirge. Foto: Mario Vedder
In Ait Bou Oulli blickt man auf den Hohen Atlas, Marokkos höchstes Gebirge. Foto: Mario Vedder

Immer entlang der RR 302

Das ist tatsächlich seltsam. Anstrengende Tage liegen hinter mir mit viel Fahrerei und jetzt kämpft mein Körper gegen das, was vermutlich ein winzig kleiner Tropfen verunreinigtes Wasser angerichtet hat, meine Knochen schmerzen von der Fahrerei, harmlos an sich, aber nervig und dann die prompte Entschädigung: diese Aussicht, dieses Panorama. Ich fahre entlang der RR 302, schraube mich langsam hoch, der Pass geht über den Hohen Atlas, mein Ziel ist das Rosental.

Von Tabant im Glücklichen Tal geht es über den Hohen Atlas. Foto: Mario Vedder
Von Tabant im Glücklichen Tal geht es über den Hohen Atlas. Foto: Mario Vedder

Blick auf das majestätische M-Goun-Massiv

Ein alter Mann lächelt mir zu, hebt die Hand zum Gruß, ich drossele die Geschwindigkeit, lasse die Himalayan ganz langsam an ihm und dem Esel vorbei rollen, wir sind inzwischen schon hoch oben im Hohen Atlas, das war vermutlich mein letzter menschlicher Kontakt für längere Zeit. Stimmt, ab jetzt kreuzen nur noch ein paar Ziegen den Weg, und anfangs noch Schafe. Die Landschaft wird karger und karger, der harte Fels dominiert Blick und Gemüt. Und nach einer scharfen Kehre  dann der Anblick des majestätischen M-Goun-Massivs, einer längeren Gipfelkette, am höchsten Punkt 4071 Meter hoch.

Pause mit Blick auf das M-Goun-Massiv. 
Von Tabant im Glücklichen Tal geht es über den Hohen Atlas. Foto: Mario Vedder
Pause mit Blick auf das M-Goun-Massiv. Foto: Mario Vedder

Ehrfurcht vor schneebedeckten Gipfeln

Wind versetzt das Motorrad, die Piste ist ok, in den Kehren meistens ziemlich ausgefahren, kein Problem für die Himalayan, größeres Geröll muss man halt langsamer fahren, die Federwege sind nicht unendlich. Ehrfurcht, als die ersten schneebedeckten Gipfel am Horizont auftauchen, sie begleiten mich ab jetzt, eine wunderschöne Kulisse für eine lange Zeit. Das Tal der Glücklichen ist eine der schönsten Kulturlandschaften Marokkos, ein Tal mit einem grünen Band am Grund, mit konstantem Wasser, einem Luxus in dieser kargen Gegend.

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Die einsame Piste mit grandiosem Panoramablick. Foto: Mario Vedder

Die Himalayan fühlt im Hohen Atlas pudelwohl

Die Himalayan nimmt die Steigung mit stoischer Ruhe, fast könnte man meinen, ihre indische Heimat habe im Hohen Atlas einen nahen, lieben Verwandten getroffen. Das hier ist ihr Element, hier zieht sie Meter für Meter voran, tuckert vor sich hin und mahnt nur durch Fahrwerksschwankungen zu langsamerer Gangart, gut, ok, das könnte man auch elektronisch regeln, aber nicht mit ihr, die Himalayan will ehrlich sein. So ehrlich wie der alte Mann auf dem Esel vielleicht, der noch Stunden unterwegs sein wird in der Einsamkeit, oder die zwei Frauen, die gleich eine ganze Bande von Eseln vor sich her treiben, das ist hier immer noch das Lastenrad, oftmals die einzige Möglichkeit, Dinge des Lebens zu transportieren.

Streckenabschnitt voller Geröll

Auf der gesamten Piste kommen mir genau zwei Autos entgegen, Sammeltaxis, davon hängt eines am steilen Hang fest, kämpft mit wenig PS und Bodenfreiheit gegen die Steine. Vier Mann schieben, der Wagen kämpft und rutscht immer wieder zurück, sie winken mich vorbei, verzichten auf meine Hilfe, sind dankbar für das Angebot und ich für ihre Freundlichkeit. Das war zu steil bergab, keine Chance zum Abstellen der Himalayan, und tatsächlich musste ich hier kämpfen, der Streckenabschnitt war übersät von Geröll, zu ausgewaschen, zu steil.

Von Tabant im Glücklichen Tal geht es über den Hohen Atlas. Foto: Mario Vedder
Die einsame Strecke im Hohen Atlas. Foto: Mario Vedder
Authentische Route mit wunderschönen Panoramen

Aber, ich bin überzeugt, auch das Auto und seine Insassen haben es geschafft, denn irgendwie geht es hier immer weiter in Marokko, ich habe schon so viele vollkommen hoffnungslose Autofahrten gesehen, so viele vollkommen überladene Mini-Vans oder Trucks und doch sind sie irgendwie immer angekommen, zumindest meistens. Diese Piste hier ist nicht die komplizierteste, nicht die fahrerisch anspruchsvollste in Marokko, aber sie ist eine sehr authentische Route mit hohen fahrerischen Ansprüchen und sie ist eine Panoramaroute sondergleichen.

Das Land der Berber

Ehrfurcht vor den noch im Sommer schneebedeckten Gipfeln, Respekt vor den Berbern, die hier ihre Heimat haben und sich dem kargen Leben stellen und Respekt vor einer Natur, die rauer nicht sein könnte und doch mit ihrer kargen Schönheit so in den Bann zieht. Der Wind saugt kleine Windhosen aus der Piste, die sich im schmalen Band wieder zum Tal windet, um dann nochmal Richtung Rosental Fahrt in Höhenmetern aufzunehmen. Es gibt nichts ausser Steinen hier, kargen Felsen, Geröll. Und das für sehr lange Zeit.

Die Piste im Hohen Atlas, Blick von Ighil N’Oumgoun. Foto: Mario Vedder
Die Piste im Hohen Atlas, Blick von Ighil N’Oumgoun. Foto: Mario Vedder
Rund 130 Kilometer und ein riesiges Gebirge trennen die zwei Täler

Es sind gar nicht so vielen Kilometer zwischen den beiden Tälern, ungefähr 130 Kilometer, und doch liegt dazwischen eines der gewaltigsten Gebirge dieser Welt, der Hohe Atlas. Ich nähere mich wieder dem Tal und wenn ich es nicht besser wüßte, scheint die Himalayan ein wenig traurig zu klingen, das Abenteuer Atlas-Überquerung schon beenden zu müssen. Aber hej, es gibt wirklich schlimmeres, als am Ende eines anstrengenden Tages im Rosental zu enden, dem Zentrum des Rosenanbaus in Marokko, hier werden Rosenwasser und Rosenöl produziert.

Ein grünes Tal und bald dahinter schon die Sahara

Es ist wieder alles so grün hier, der Fluß plätschert, die Vögel zwitschern, so hatte es doch heute morgen auch angefangen, ungefähr über 2000 Höhenmeter entfernt. Unterkunft in der wunderschönen Kasbah Assafar, mit tollen Blick auf das Tal, Spazierengehen, überall Grün, Rosen, Palmen, am Hang die lehmfarbene Kasbah und bald dahinter schon ist die Sahara…

https://www.visitmorocco.com/de

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