Von Mario Vedder
Vallon Pont d’Arc. Frankreich. Nougat liegt auf dem Weg zu den zwei wohl spektakulärsten Schluchten Südfrankreichs: die Gorges du Tarn und die Gorges de l’Ardèches. Ich bin schon früh am Nachmittag in Montelimar und finde überraschend schnell mein Hotel. Zeit genug also, um die kleine Stadt zu erkunden, die mit Palmen und pastellfarbenen Tönen mir ein großes „Willkommen im Süden“ zuruft.
Willkommen in Südfrankreich: auf dem Weg zur Ardèche-Schlucht
Montelimar ist berühmt für Nougat, französisches Nougat, diese herrlich süße karamellisierte Masse, mit Nüssen, Mandeln und getrockneten Früchten gespickt. In jedem Lädchen gibt es hier Nougat, in jedem zweiten Hinterhof findet sich eine kleine Nougatmanufaktur. Dazwischen eine seltsame Balance zwischen Zerfall und Bewahren der Tradition. Einige Häuser sind kunstvoll und opulent bemalt, kitschig, mit bunten Nougatmotiven. Nun, wer’s mag, ich auf jeden Fall. Es passt wunderbar in dieses ansonsten recht verschlafene Städtchen. Ich freue mich auf Morgen, das erste echte fahrerische Highlight meiner Tour steht an – die Gorges de l‘Ardèches. Ich bin tatsächlich ein wenig aufgeregt, endlich echter Kurvenspaß und nicht nur Kilometerfresserei.
Die Cevennen sind weit und einsam
Ich starte früh am Morgen Richtung Le Teil und überquere einen Nebenarm der Rhone. Nach und nach zieht mich der wilde Reiz der Cevennen endgültig in seinen Bann. Die Farben, die kleinen Backsteinumrandungen an den seltenen Straßen-Einmündungen, der Duft des erst jetzt hier in den Hügeln richtig loslegenden Frühlings, der sich nach und nach in allen Sinnen festsetzt – all das ist es, warum ich mich über tausend Kilometer hierher gequält hatte. Die Cevennen sind weit und einsam, je weiter man in sie eindringt, je weniger Zivilisation stört die Naturgewalten, die sich hier hinter jeder Kurve in ihrem ewigen Kampf zwischen Wind, Wasser und Gestein offenbaren.
Zauberhafter Pont d‘Arc
Die Ardèche-Schlucht mit ihren vielen, vielen Windungen und tollen kleinen Badestellen und vor allem dem zauberhaften Pont d´Arc, einem natürlichen Steinbogen über dem Wasser, ist wie geschaffen, um sie mit dem Kanu zu erkunden. Oder halt mit dem Motorrad zu erfahren. Auf einer fantastischen Strecke, der Panoramastraße D 290, die streckenweise zu schmal für zwei vierfach bereifte Fahrzeuge ist, die häufig in den Felsen geschlagen, der Natur regelrecht abgetrotzt wurde. Los geht es in Vallon Pont d´Arc und mit dem Durchfahren des ersten Felsentores erliege ich dem Zauber dieser Strecke, fahre bis zum gleichnamigen Felsbogen und drehe gleich wieder um, ich muss das einfach direkt nochmal andersherum genießen.
Wunderschöne Strände am Ardèche Ufer
Kurz vor dem berühmten natürlichen Torbogen Pont d’Arc gibt es wunderbare Strände, die man bei vorhandener Zeit unbedingt für ein Bad nutzen sollte, ich nutze heute lieber die ziemlich leeren Kurven und fahre weiter auf der D 290. Die Schlucht an sich ist gut 30 Kilometer lang, der Fluss Ardèches, der am Mont d’Ardèches entspringt, mündet nach über 125 Kilometern bei Point-Saint-Esprit in die Rhone.
Im Sommer ist das hier die Hölle mit all den vielen Wohnmobilen und vor allem den vielen Touristenbussen, die die Aussichtspunkte anfahren. Jetzt Ende Mai fährt es sich wunderbar hier, kein Verkehr, ein paar Motorräder, einige Fahrräder und unten auf dem Fluss einige Kanuten. Es ist alles im Gleichgewicht. Und das ist gut so.
Ein Ort der Magie
Die Strecke ist wunderschön zu fahren und vor allem gibt es immer wieder atemberaubende Blicke in dieses von großer Künstlerhand in den Stein gehämmerte Schluchtenspiel. Panoramen, Kulissen, Leinwände von Naturfarben gefüllt, man sollte jeden noch so winzigen Aussichtspunkt auf dieser Strecke anfahren, ich nehme fast alle, aber an einem halte ich mich besonders lange auf. Es ist der letzte große an der Hochstraße, bevor es langsam wieder ins Tal und in Richtung Zivilisation geht. Es ist ein Ort mit Magie. Zeit zum Denken.
Balazuc ist eins der schönsten Dörfer Frankreichs
Aus der Umgebung der Ardèche-Schlucht kommen mir malerische Dörfer wie Labeaume und Balazuc in den Sinn. Diese winzigen mittelalterlichen Orte mit ihren engen Gassen sind voller Charme und Geschichte, Balazuc thront quasi über der Ardèche und gilt zurecht als eines der schönsten Dörfer Frankreichs.
Höhlenmalereien nahe Vallon-Pont-d‘Arc
In der Umgebung gibt es zig Outdoor-Aktivitäten, wie beispielsweise Klettern, Mountainbiken, Wandern oder Gleitschirmfliegen. Kulinarisch geht es einfach und köstlich zu: Ziegenkäse, frisches Brot und feines Olivenöl. In der Nähe von Vallon-Pont-d’Arc liegt die Grotte Chauvet-Pont-d’Arc, eine Höhle mit prähistorischen Zeichnungen, die älter als 30.000 Jahre sind. Die Höhle zählt zu den weltweit wichtigsten archäologischen Fundstellen, es wurden schon über 400 Malereien und Wandbilder mit Tieren und Symbolen entdeckt. Eine wunderbare Tropfsteinhöhle mit beeindruckenden Stalaktiten und Stalagmiten findet man in Aven d’Orgnac, in der Nähe des kleinen Dorfes Orgnac-l’Aven.
Naturgenuss pur
Ich sammele meine Gedanken, sattele die Suzuki und mache mich langsam wieder auf in Richtung Ebene. Mein Ziel ist heute noch Montpellier. Das war Motorradfahren vom Feinsten und Naturgenuss pur gewesen in der Ardèche-Schlucht und je mehr ich die Berge hinter mir lasse, desto mehr kommt mir der Gedanke, bald wieder zurückkommen zu müssen.
Wahnsinn Nummer 2: die Tarn Schlucht
Die Schluchten Südfrankreichs, Sehnsucht, Natur, Einsamkeit, Freiheit. Auch eine weitere wunderbare Schlucht ist mir da in Erinnerung geblieben ist: die Tarn-Schlucht. Dort war ich vor ein paar Tagen gewesen.
Eine Anreise im Nieselregen. Mein Ziel des Tages lautet Millau. Nichts und niemand begleitet mich und meine Suzuki Bandit durch den Regen und die Einsamkeit der Cevennen, ich wähle die direkte Route, was zugleich auch die Wahl der kleinsten aller kleinen Straßen ist. Cannes-Minervois, Labastide-Rouairoux, Belmont-sur-Rance und St. Affrique sind die Orte auf der Route, mal durch hügelige Landschaften, mal durch dichte Wälder, ehe ich am späten Nachmittag kurz vor Millau auf die imposante Talbrücke, das Viaduc de Millau treffe.
Viaduc de Millau – das höchste Bauwerk Frankreichs
Es ist mit 343 Metern das höchste Bauwerk Frankreichs, 23 Meter höher als der Eifelturm. Das Viadukt ist nicht nur hoch, sondern mit seinen 2.460 Metern auch die längste Schrägseilbrücke der Welt. Ein beeindruckendes Bauwerk, dass hier für die Autobahn A 75 über der Tarn geschaffen wurde. Mein Motorrad sieht aus wie Sau, das Bier am Abend ist warm und morgen geht es nun endlich in die nächste Traumschlucht – die Gorges du Tarn. Blauer Himmel und angenehme 20 Grad Celsius. Eine Wohltat nach dem kalten Tag im Nieselregen.
Entlang der D 907 in der Tarn-Schlucht
Ich lasse mich in Richtung Schlucht treiben, folge der D 907 immer Richtung Sainte-Enemie. Zum Teil führt die Strecke direkt am Felsen entlang, der Fluss hat stellenweise ein hunderte Meter tiefe Schneise ins karge Hochplateau gerissen, eindrucksvoll ist hier wohl zu bescheiden beschrieben, respektvoller Einblick in die Macht der Natur wäre besser, ein wunderbarer Ritt auf den Wellen Jahrmillionen alter Naturgewalten. Die klare Luft füllt meine Lungen, während ich die Natur genieße – den Fluss, das Zwitschern der Vögel und das sanfte Rauschen des Windes. Ich halte hinter einer weiten Kehre und blicke hinunter in die Schlucht.
Eine Traumlandschaft, die mich nicht los lässt
Die Landschaft ist einfach atemberaubend, Wahnsinn: Der ferne Fluss schlängelt sich durch die tiefen Felsen und Wälder, die die Schlucht umgeben, eine Traumlandschaft, mich nicht loslässt. Ich setze meine Reise fort und komme durch so charmante Dörfer wie Sainte-Enimie und La Malène, wo ich einen frischen Kaffee und die Sonnenstrahlen ohne Helm auf dem Kopfgenieße.
Bis zu 500 Meter tief
Die Tarn-Schlucht erstreckt sich auf rund 35 Kilometer und hat sich zum Teil bis zu 500 Meter tief in den Felsen gegraben, sie liegt im ersten Drittel der Tarn zwischen Le Rozier und Sainte-Enimie. Die Quelle der Tarn liegt am Mont Lozere in den Ardennen, 380 Kilometer lang fließt der Fluss in südöstlicher Richtung, bevor er in die Garonne mündet. Die Straße entlang der Schlucht ist eine der schönsten in Europa, nicht nur wegen der immer wieder wahnsinnig schönen Ausblicke.
Die Örtchen in der Nähe der Schlucht sind nicht weniger spektakulär – La Malène, Les Vignes und Le Rozier sind nur einige der malerischen Orte, die ich auf meiner Reise entdecke. Übrigens, die Gorges du Tarn ist eines der wichtigsten und schönsten Klettergebiete Südfrankreichs. Ich allerdings bevorzuge momentan meine alte Suzuki Bandit und verlasse diese wunderbare Fleckchen Erde wieder.
Weiter nach Mende, hinein ins Zentralmassiv, doch davon ein anderes Mal, hier soll die Erinnerung an die zwei wohl schönsten Täler in Südfrankreich bleiben, die Gorges du Tarn und die Gorges de l‘Ardèches.