Von Mario Vedder
Schottland, Glen Coe. Dramatische Lichtspiele, tragische Geschichte. Ein dünner Hauch von Licht erobert die Gipfel, ein schmaler Grad nur, aber er wächst rasant, wird schnell heller, balanciert zwischen den Bergen, das Flackern weicht einem grellen Strahlen. Leuchtendes Grün, tiefblauer Himmel, in der Ferne das Grau der vergangenen Stunden, der Wind schiebt die Wolken, ein kleine Hütte in den sanften Hügeln schickt strahlend weiße Signale, die Highlands bitten zum großen Tanz.
Traumhafte Kulisse in Glen Coe und Etive
Schottlands schönste Täler sind zweifelsohne Glen Coe und das Seitental Glen Etive. So schön, dass schon James Bond hier in Skyfall seinen Blick in die weite Ferne verlor, eine traumhafte Kulisse mit sanften Hügeln und schroffen Gipfeln, mit romantischen Flüssen, sattem Grün und dem ständigem Wechsel von Licht und Farben. Ein Karussell der Sinne inmitten karstiger Landschaft.
Wildcampen nach Jedermannsrecht
Single Tracks führen in die Nebentäler, Wanderer, Biker und Bergsteiger lieben diese Täler, ihre Schönheit ist dramatisch. Camping ist nach „Jedermannsrecht“ erlaubt, Freiheit pur. Ein Zelt in Schottland dabei zu haben – immer eine gute Wahl, nicht nur wegen der Bettenknappheit im Sommer. Vor allem auch wegen der totalen Freiheit: eine Idee, eine Tour, ein Traum, ein Zelt.
Übernachten an den schönsten Plätzen
Wandern oder hinfahren, anhalten, wo und wann man will, Übernachten an den schönsten Plätzen – das ist Freiheit pur. „Wildcampen“ ist fast überall in Schottland an den schönsten Spots möglich. Das Jedersmannrecht erlaubt es, dort zu campen, wo kein privater Grund ist oder wo nicht ausdrücklich offizielle Schilder dieses verbieten. Aber bitte, ganz wichtig, die Plätze sind so zu verlassen, wie sie vorgefunden wurden, nichts wie Steine oder Pflanzen sollten entfernt, nichts beschädigt werden, jeglicher Müll muss wieder mitgenommen werden.
Glen Coe – ein berauschend schönes Tal
Heute geht es in eins der schönsten Täler Schottlands, Glen Coe. Träge tuckernd zieht mich die Royal Enfield Himalayan immer tiefer in das Tal, die Straße ab dem kleinen Ort Glencoe ist gut ausgebaut und wird mit jedem Kilometer kurviger, die grüne Hänge wachsen, das Panorama ist atemberaubend, die Sonne kommt durch, malt in den grünen Hügeln, lässt Farben explodieren. Wolken hüpfen, das Auge ist zu langsam für die Gier des Hirns, diese Schönheit aufzunehmen.
Tragische Geschichte
Staunen, fahren, staunen. Anhalten. Das geht nicht parallel, zu schön ist diese Landschaft hier. Und war doch vor Jahrhunderten Schauplatz grausiger schottischer Geschichte. So dramatisch schön das Tal den Atem stillstehen lässt, so brutal und blutig ist die Geschichte dieses Fleckchens Erde. 1692 fand hier ein Massenmord statt, unwiderruflich nicht aus der Geschichte Schottlands zu streichen, ein besonders böser Missbrauch der schottischen Gastfreundschaft.
Das Tal wird zur Falle
Am 13. Februar 1692 wurde das Tal zur Falle für den Mac Donalds-Clan, der hier vorherrschte und Robert Campbell, einen Getreuen des verfeindeten Königs, und seine Soldaten gastfreundlich aufnahm. Auf Geheiß Wilhelm III. von Oranien ließ dieser seine Gastgeber im Schlaf töten, das Massaker startete, die Soldaten töteten, steckten Häuser in Brand, der Winter tat sein übriges, Kinder und Frauen erfroren auf der Flucht, am Ende der Tragödie waren fast 80 Menschen tot, nur weil sie nicht dem neuen König Wilhelm III. die Treue schwören wollten. Das wunderschöne Highlands Tal hatte für immer eine dunkle Seite bekommen. Missbrauch des Gastrechtes, der Mord am Gastgeber führten schließlich zum Jakobiner-Aufstand und sind bis heute fest im Gedenken an die Geschichte verankert. „Mord unter Missbrauch des Vertrauens“ steht unter hoher Strafe in Schottland, gerade weil die Schotten so herzlich und gastfreundlich sind, berührt dieser dunkle Teil der Geschichte um so mehr.
Bidean nam Bian ist der Größte
Doch aktuell ist keine Trauer angesichts des wahnsinnigen Naturschauspiels im Glen Coe angebracht. Das Tal ist die Hauptverbindung zwischen dem Südosten Schottlands und der nördlichen Westküste, unbedingt besichtigen sollte mal die Bergkuppen „Three Sisters“, zum Wandern gibt es zahlreiche Wege in den Nebentälern, die höchste Erhebung ist der Bidean nam Bian mit 1150 Metern. Ich fahre gemütlich und giere nach mehr und mehr und mehr dieses grünen Lichterspiels.
Skyfall im Glen Etive
Das könnte gerne so weitergehen hier, sagt mein gieriges Fotografenherz, na dann fahr halt weiter, scheint die Himalayan zu raunzen, als sie im Leerlauf nach einem Fotostop ein paar Fehlzündungen ins Tal schickt und geduldig auf Antrieb wartet. Also gut, auf geht’s, direkt Richtung Glen Etive, einem kleinen Seitental, manch einem James Bond Fan an bestimmter Stelle vielleicht bekannt, selbst die Produzenten von Skyfall konnten der Schönheit dieses Tales nicht widerstehen und ließen ihren Helden Daniel Craig mit seinem Aston Martin hier in den Ferne schauen.
Es dem Filmhelden mit meiner Himalayan gleich zu tun, ist ein schneller Gedanke, allein die Suche nach einem Nachtplatz ist an dieser Stelle nicht gut und die Zeit drängt ein wenig, das Tal ist schnell ohne Licht … ich fahre trotzdem gemütlich weiter, Single Track, das Bächlein Etive plätschert links der Strasse entlang, immer wieder gibt es Plätze zum Campen, schöne Plätze, ich bin aber zu spät, sie sind schon belegt, manchmal ein Zelt, manchmal zwei, oft Wanderer, ab und an steht ein Auto weiter entfernt.
Abenteuer pur
Ich fahre die schmale Strecke im Glen Etive fast bis zum Ende, zwei, drei gute Plätze sehe ich, drehe schließlich um, um jetzt endlich mal Feierabend zu machen und fahre und fahre und sehe dann erst den perfekten Platz, direkt am Fluß, flaches Gras, geschützt, von der Strasse mit Autos nicht zu erreichen, Matsch, Gelände, Steine, die Himalayan meistert es ohne zu Murren und versinkt angesichts ihres trotz Gepäcks noch überschaubaren Gewichtes nicht gleich im feuchten Dreck. Perfekt, frei, Abenteuer pur.
Millionen von Midgets
Feierabend, Bier. Blick genießen, Ausruhen. Patsch. Von einer Sekunde auf die andere sind sie da. Fliegen, Midgets, sie sind da und gehen nicht mehr weg, Millionen sind es, kein Insektengel, keine Rauch, kein wildes um sich schlagen vertreibt sie. Sie sind da und machen nur allzu deutlich, Freiheit hat ihren Preis, ganz umsonst ist Wildcampen auch nicht, nun ja, ein Preis, den ich gerne bezahle, während im Hintergrund der Etive plätschert. Ohren und Nase geschützt, mache ich am nächsten Tag den weiteren Reiseplan, die Viecher schaffen es trotzdem überall hin, Profis hätten jetzt Netzhüte, ich habe mein Motorrad, das ich ansehe und lächele, die Himalayan ist in ihrer schlichten Einfachheit die perfekte Begleiterin in den schottischen Highlands. Sie ist hier sehr schnell zu einer sehr guten Freundin geworden.
Glen Coe, Glen Etive – selbst bei wenig Urlaubszeit unbedingt einplanen, sattgrüne Wiesen, karstige Berggipfel, einsame Wege, fantastische Landschaften wie Filmkulissen, nicht nur für James Bond, auch Filme wie Braveheart, Harry Potter oder der Highlander nutzten diese fantastische Naturkulisse Schottlands für ihre große Leinwandkunst.
Weitere Informationen: https://www.visitscotland.com/de-de/