Von Oliver Abraham
Sri Lanka. Kandy. Hoch über dem Fluss im Inneren Sri Lankas duftet es nach Zimt und Knoblauch, in der Luft liegt der scharfe Geruch von Chili. Andere Aromen auch, würzige Wohlgerüche. In den Pfannen zischt es, in den Töpfen blubberts. Ist das Curry gekocht, bleibt das Rätsel – woraus es besteht – oft ungelöst. Allein die Gewürze für ein Curry sind oft ein geschmackliches Geheimnis.
Curry ist ursprünglich eine Mischung verschiedener Gewürze
Manche Köche teilen ihr Wissen, nicht nur in Sri Lanka gibt es Curry Cooking Classes, wie hier, hoch über dem Mahaveli-Fluss in der alten Königsstadt Kandy im Herzen der Insel Ceylon (das Land heißt Sri Lanka), wo der Küchenchef des Cinnamon Citadel Hotel zum Kochkurs lädt. Auf dem Tisch stehen Schalen mit geriebenem Ingwer und geschnittenem Chili, mit Kreuzkümmel und Kurkuma. Dazu frische Blätter vom Currystrauch und Karaffen mit Kokosmilch. Zimtstangen auch; natürlich Ceylon-Zimt, zu erkennen an mehreren Lagen dünner eingerollter Rinde.
Von mild bis höllisch scharf
Zwar gibt es den Currystrauch, aber ursprünglich ist „Curry“ eine Mischung verschiedener Gewürze. Es gibt sie grundsätzlich von mild, wie sie zum Beispiel in Thailand genossen werden, bis höllisch scharf, wie beispielsweise aus Indien. Meist wird Kokosmilch als Grundlage verwendet. Die Chili-Schoten sind entkernt und im Topf zischt Öl, betörende, exotische Aromen. Auch etwas Zimt kommt dazu; … in einem Garnelen Curry? Eine kleine Menge nur, denn eines ergänzt das andere, nichts soll, nichts wird dominieren. Eine Reise durch die Aromen soll es sein, prickelnd und spannend, die Vielfalt zeigen, sich ergänzen. Mit Gewürzen dieser Insel, authentisch sein. Ein kulinarischer Streifzug. Immerhin: Man weiß, was drin ist im Curry.
Chili in Varianten und obskures Zeug
Auf dem Markt in der Stadt stehen Säcke mit Linsen und Reis. Es riecht nach Feuer und Fisch, es duftet nach Zitronengras und reifem Obst. Galgant und Bockshornkleesamen liegen in Schalen auf den Tischen der Buden und tausend Sachen mehr. In den Auslagen der Verkaufsstände Blätter von Kaffirlimette, Currystrauch, Chili in Varianten und Bündel von obskurem Zeug – Gewürzgeheimnisse.
Handelswege kreuzten sich in Ceylon
Die Insel Ceylon liegt geographisch zwischen dem indischen Subkontinent und Südost-Asien, Handelswege kreuzten sich hier und Seefahrer brachten mit, was sie anderswo fanden. Handelten damit, Curry und Küche wurden variantenreicher. Und eine Würzmischung namens „Curry“ kam damals mit den Handelsfahrern nach Europa.
Der deutsche Entdecker Ernst Haeckel war getrieben von Neugier und Entdeckerlust
Schon im vorvergangenen Jahrhundert waren Reisende – Händler, Forscher, Entdecker, erste Touristen – unterwegs auf Ceylon. Angetan von der Exotik dieser Insel. Manche von ihnen versuchten, die Geheimnisse eines Curries zu ergründen. Einer ging auch in den Dschungel, um nachzusehen, was dort wächst und lebt. Wenngleich aus anderen Beweggründen. Getrieben von Neugier und Entdeckerlust, und er tat das mit Genauigkeit und System: Ernst Haeckel.
Haeckel isst seltsam: Waren es zu Beginn der Woche wenigstens Wirbeltiere und Fische, die in den Kochtopf kamen, zur Wochenmitte die noch feineren Garnelen, so endeten die Streifzüge bald am Anfang der Evolution. Austern, Seeigel, solches vom Stamm der Sterntiere – sonderbares Zeug. Sein Koch Babua ahnte wohl, dass der Zoologe Ernst Haeckel, unterwegs auf Ceylon vor rund 140 Jahren, an allen Tierklassen ein Interesse hatte. Aber zum Essen? Haeckel sammelte für die Forschung, Babua kochte Curries daraus.
„Eine dem Ragout ähnliche Reiswürze“
„Sechs Wochen unter Singhalesen“, so heißt das zwölfte Kapitel der Indischen Reisebriefe des Ernst Haeckel. Er beschreibt mit wissenschaftlicher Akribie und forschender Neugier; auch das, was sein einheimischer Begleiter und Koch Babua in den Eintopf tat – denn das ist das Curry, eine dem „Ragout ähnliche Reiswürze“ (Haeckel).
Und eben: Alles kann, nichts muss, und vieles drin, was grad da ist. Meistens zudem kräftig und gut, heißt hier: exotisch, gewürzt. Vielfach sind es Gemüse, oft in Kokosmilch gegart, und eignen tut sich alles, was essbar ist.
Also ist ein Curry auch „…mit Fleisch verschiedener Art ausgestattet.“ So notierte es Ernst Haeckel und er sollte sich noch wundern.
„Babua schien zu ahnen, dass für mich als Zoologen alle Thierclassen ein gewisses Interesse darböten, und das daher auch deren Verwerthbarkeit für den Cörry ein wichtiges zoologisches Problem sei.“
Das war von Babua gut beobachtet und praktisch umgesetzt. Der Logik von Streifzügen durch die Evolution folgend, erwartete Haeckel am Wochenende, nach höheren Lebewesen zu Wochenbeginn, Quallen oder Korallen auf dem Teller zu finden. Babua hielt sie für Pflanzen und ersetzte sie auch durch „fliegende Thiere, bald waren es Fledermäuse oder Vögel“, wie Haeckel notierte. Dann Schlangen und Eidechsen.
Haeckel erkannte erst nach und nach, was Babua ihm da eigentlich auftischte. Denn alles war kleingeschnitten und mit „…Fragmenten von Wurzeln, Blättern und Früchten in der dicken Soße des Cörry vertheilt, dass erst genauere anatomische Untersuchung über die eigentlichen Grundbestandtheile aufklärte.“ Erst aß Haeckel es klaglos, dann kam er selbst auf den Geschmack. Und schließlich überraschte Ernst Haeckel sogar seinen Koch und treuen Begleiter Babua mit eigenen, eigenwilligen Curry-Kreationen – als er seine eigene, „wissenschaftliche“ Jagdbeute in den Kochtopf warf.
Und heute, unterwegs in Asien, – will man´s wissen? Was genau im Topf ist? Wenn die Vielfalt überwältigend ist. Es genügt Neugier.
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Unser Autor war vor Corona in Sri Lanka unterwegs, diese Reise wurde seinerzeit unterstützt von Studiosus Reisen/München.