Von Oliver Abraham

Nieuw-Amsterdam. Vincent van Gogh war 30 Jahre alt und lebte in Den Haag, er zweifelte an sich selbst und seinem Schaffen. Vincent van Gogh musste dringend an die frische Luft.

Zu Besuch in der Ur-Landschaft in Drenthe. Video: Mario Vedder

Vincent van Gogh ging aufs Land in Drenthe

Er ging aufs Land nach Drenthe, in diese Provinz im Osten der Niederlande, er ging in die Natur. Dort fand er Ruhe und Inspiration.

Auf den Spuren des niederländischen Malers Vincent van Gogh in der Provinz Drenthe. Foto: Mario Vedder
Auf den Spuren des niederländischen Malers Vincent van Gogh in der Provinz Drenthe. Foto: Mario Vedder

Van Gogh zeichnete, malte und skizzierte in Drenthe

Van Gogh hielt sich hier von Anfang Oktober bis Anfang Dezember des Jahres 1883 auf, in Drenthe insgesamt also nicht länger als drei Monate. Wohl auch deshalb ist wenig bekannt darüber, dass der gebürtige Niederländer van Gogh hier für kurze Zeit gelebt und gearbeitet hat – er zeichnete, malte und skizzierte.

Schaurig-schöne Moore in der Provinz Drenthe. Foto: Mario Vedder
Schaurig-schöne Moore in der Provinz Drenthe. Foto: Mario Vedder

Schaurig-schöne Moore, morbider Reiz

In einer Landschaft von noch heute sonderbarem, schönem Charme. Wie in den Mooren, gerade im Herbst mit schaurig-schönem, mit seltsam morbidem Reiz.

Transparente Schautafeln zeigen den Blick Vincent van Goghs auf die Landschaft der Provinz Drenthe. Foto: Mario Vedder
Transparente Schautafeln zeigen den Blick Vincent van Goghs auf die Landschaft der Provinz Drenthe. Foto: Mario Vedder

Unterwegs auf den Spuren Vincent van Goghs. Und es gibt tatsächlich noch Orte, die Vincent van Gogh so gesehen hat, es gibt noch Landschaften, die er gesucht und gefunden hat. Die ihn begeisterten.     

In der Provinz Drenthe suchte Vincent van Gogh die Natur. Foto: Mario Vedder
In der Provinz Drenthe suchte Vincent van Gogh die Natur. Foto: Mario Vedder

Von Gogh suchte die Natur

Van Gogh war kein reiner Landschaftsmaler, doch suchte er die Natur – und er wollte Menschen in der Natur darstellen. Van Gogh hatte die Hoffnung, dass die Natur ihm in seiner künstlerischen Entwicklung förderlich sein könnte. Auch deshalb die Reise und der Aufenthalt in der „Ur“-Landschaft. Der Aufenthalt in Drenthe, in der schon damals letzten ursprünglichen Landschaft der Niederlande, wird als ein entscheidender Faktor in seiner künstlerischen Entwicklung betrachtet.   

Anders, ursprünglich und im Umbruch. Foto: Mario Vedder
Anders, ursprünglich und im Umbruch. Foto: Mario Vedder

Schon zu Zeiten van Goghs war es hier anders, ursprünglicher noch, doch es war im Umbruch. Ein typisches Fortbewegungsmittel damals waren sogenannte Treckschuten, also von Pferden am Rand der Kanäle gezogene Fracht- und Passagierkähne.

Während der Fahrt auf Treckschuten sah Van Gogh seine späteren Motive. Foto: Mario Vedder
Während der Fahrt auf Treckschuten sah Van Gogh seine späteren Motive. Foto: Mario Vedder

Schier unendliche Moore wurden trockengelegt

Diese Kanäle durchziehen die Provinz noch heute, sie wurden hauptsächlich angelegt, um den Torf abzutransportieren. In einer Gegend, die sich damals grundlegend veränderte. Die schier unendlichen Moore, einst als unnütz betrachtet und ihrer Unwegsamkeit sowie Gefährlichkeit wegen unbesiedelt, wurden trockengelegt und der Torf als Brennstoff abgebaut. 

Moore sind wertvolle Lebensräume. Foto: Mario Vedder
Moore sind wertvolle Lebensräume. Foto: Mario Vedder

Menschenleere Hochmoore bedeckten einst die Niederlande

Einst bedeckten riesige, menschenleere Hochmoorflächen große Teile der Niederlande (und auch des benachbarten Niedersachsens). Was nicht abgetorft wurde, kam später unter den Pflug der Landwirtschaft. Es gibt, sowohl in den Niederlanden als auch in Niedersachsen, noch Relikte dieser Moore, Restflächen, die erhalten und wieder vernässt werden.

Wege ins Moor in Drenthe. Foto: Mario Vedder
Wege ins Moor in Drenthe. Foto: Mario Vedder

Hochmoore wachsen pro Jahr einen Millimeter in die Höhe

Moore sind wertvolle Lebensräume für seltene, bisweilen vom Aussterben bedrohter, Tier- und Pflanzenarten. Und Moore rücken zunehmend als Kohlenstoffsenke in den Focus – das von den Torfmoosen aus der Atmosphäre gezogene Kohlendioxid verbleibt nach dem Absterben der Moose unter Luftabschluss im Moor und ist dem Kreislauf somit entzogen. Unter guten Voraussetzungen wächst ein Hochmoor pro Jahr einen Millimeter in die Höhe, es liegt wie ein Uhrglas in der Landschaft und lebt ausschließlich vom Regen.              

Vincent van Gogh fuhr mit Treckschuten durch die Provinz Drenthe. Foto: Mario Vedder
Vincent van Gogh fuhr mit Treckschuten durch die Provinz Drenthe. Foto: Mario Vedder

Van Gogh sah Menschen bei der Arbeit

Während der Fahrt mit einer Treckschute von Hoogeveen nach Nieuw-Amsterdam sah van Gogh  vollbeladene Torfkähne auf den Wasserstraßen, gestapelten Torf an den Kais, er sah Menschen bei der Arbeit, fertigte Skizzen von ihnen an.

An transparenten Schautafeln lässt sich das Bild von damals auf heute übertragen. Foto: Mario Vedder
An transparenten Schautafeln lässt sich das Bild von damals auf heute übertragen. Foto: Mario Vedder

Van Gogh malte die harte Arbeit der Menschen

Es sind bisweilen düstere Bilder, wie das zweier Frauen, die gebückt in einem Moor bei Nieuw-Amsterdam unter einem schweren dunklen Himmel arbeiten, neben sich die Schubkarre auf dunklem Moorboden, alles in Grautönen. In Braun und Sepia das Bild eines Bauern, der Unkraut in einem kokelnden Feuer verbrennt. Ferner Bauerngehöfte an Kanälen, Frauen auf einem Torfkahn – all das zeigt die harte, erschöpfende Arbeit der Menschen in einer harschen Landschaft. Kleinbäuerliche Fron.     

An transparenten Schautafeln lässt sich das Bild von damals auf heute übertragen. Foto: Mario Vedder
Auf den Spuren des niederländischen Malers Vincent van Gogh in der Provinz Drenthe. Foto: Mario Vedder

Unterwegs in Bargerveen

Unterwegs ins Moor, ins Naturreservat Bargerveen. In einer Siedlung weit vor dem menschenleeren Raum stehen prächtige Bauernhäuser mit Reetdach, die Kastanien und Eichen verlieren letztes Laub, Laternen werden auch an diesem Abend in immer früherer Dämmerung schon ihr Licht auf das Pflaster werfen.

Prächtige Bauernhäuser mit Reetdach. Foto: Mario Vedder
Prächtige Bauernhäuser mit Reetdach. Foto: Mario Vedder

Es riecht nach Pferd, und es riecht nach Feuer, vielleicht ein gemütliches Kaminfeuer. Nun ist das Land weit und offen, immer häufiger steht blankes Wasser auf der Fläche, letzte Katen tief geduckt und wie verwachsen in der schwarzen, schweren Erde.

Birken im Kampf gegen Wasser und die Gewalten des Moores. Foto: Mario Vedder
Birken im Kampf gegen Wasser und die Gewalten des Moores. Foto: Mario Vedder

Wege von Irgendwo nach Nirgendwo

Lichtspiele, entstanden im Ringen zwischen Sonne und Wolken in einem rasenden Himmel, jagen über das weite Land, Lichtflecken wie irre Theaterspots. Es ist ein amphibisches Land, eines in bisweilen tiefer Melancholie. Es sind Wege von Irgendwo nach Nirgendwo, solche, die durch eine einsame, noch immer seltsam dünn besiedelte Landschaft führen. Der Torfboden, schwer und nass, schwankt bei jedem Schritt. Und der Wind wispert sein ewiges Lied.

Gut ausgeschilderte Wanderwege in Bargerveen. Foto: Mario Vedder
Gut ausgeschilderte Wanderwege in Bargerveen. Foto: Mario Vedder

Ein Moor wie aus dem Bilderbuch

Von Nieuw-Schoonebeek führt der Weg nach Norden zum Bargerveen, ausgewiesene Wege für Radfahrer und Wanderer erschließen das Naturreservat. Schlenken, das sind die unergründlichen Wasserflächen, und Bulten, die kleinen, kaum metergroßen und buckligen, Inseln darin mit oft bizarrer Vegetation – es ist ein Moor wie aus dem Bilderbuch bis zum Horizont, der Boden schwankt und man ahnt das Tückische und Trügerische nicht nur, man spürt das Bodenlose deutlich. Keinen einzigen Schritt käme man weiter.

Offenes Wasser in der Provinz Drenthe atmet eisige Kälte. Foto: Mario Vedder
Offenes Wasser in der Provinz Drenthe atmet eisige Kälte. Foto: Mario Vedder

Tote Bäume sind im Moor gute Bäume

Das offene Wasser atmet diese eisige Kälte längst gefallener Winterregen, die dieses Moor speichert um zu existieren. Veen oder niederdeutsch Venn bedeutet Moor. Ertrunkene Wälder stehen im Wasser, die bleichen Stämme toter Birken wie eine Armee Gespenster. Tote Bäume sind in einem Moor gute Bäume, denn sie gehören hier nicht her und sie verschwenden über die sommerliche Verdunstung das in einem Moor über alle Maßen und dringend benötige Wasser. 

Offenes Wasser in der Provinz Drenthe atmet eisige Kälte. Foto: Mario Vedder
Auf den Spuren des niederländischen Malers Vincent van Gogh in der Provinz Drenthe. Foto: Mario Vedder

Massnahmen zur Rettung von Mooren

Will man Moore retten und erhalten, so, wie es hier passiert, müssen als erstes alle einst künstlich zur Trockenlegung geschaffenen Abflüsse dichtgemacht werden – und jeglicher zusätzlicher Wasserverlust muss zudem vermieden werden. Man kann kein Wasser über Bäche in ein Hochmoor leiten, denn es liegt auf der Landschaft (und nicht in ihr wie das Niedermoor). Mit den Dämmen, auf denen diese Wege hier liegen, kontrolliert man auch den Wasserhaushalt.

Anregende Melancholie in der Provinz Drenthe. Foto: Mario Vedder
Anregende Melancholie in der Provinz Drenthe. Foto: Mario Vedder

Erfrischende Einsamkeit, anregende Melancholie

Eine Schar Gänse fliegt vorüber und ihre sehnsuchtsvollen Schreie verwehen im Wind, die Klänge in der Ferne schlagender Kirchenglocken verstärken das Gefühl der Einsamkeit. Tau hängt in den Spinnennetzen zwischen dürrem Gras und der Schrei eines Vogel unterbricht die Stille im Bargerveen. Einer Landschaft, die wohl denen am ehesten ähnelt, die Vincent van Gogh in Drenthe gesucht und gefunden hat. Einsamkeit kann erfrischend sein, Melancholie anregend. 

Auf transparenten Schautafeln kann der Blick Vincent van Goghs nachvollzogen werden. Foto: Mario Vedder
Auf transparenten Schautafeln kann der Blick Vincent van Goghs nachvollzogen werden. Foto: Mario Vedder

„Das ist etwas Bedeutungsvolles, dünkt mir, denn eine solche Natur kann Dinge in einem Gemüt erwecken, die sonst nie erweckt worden wären. Ich denke dabei an den freien, glücklichen Geist von früher, ich denke, dass das nervöse Wanken dadurch zum Schweigen gebracht werden kann.“ (Vincent van Gogh an seinen Bruder Theo)

Information:

Van Gogh kam im Herbst 1883 in die niederländische Provinz Drenthe. Auf verschiedenen Routen durch die Natur und Dörfer ist man auf den Spuren des Malers unterwegs. Von manchen Wegen und Stellen ist bekannt, dass Van Gogh hier gegangen ist oder gearbeitet hat. In den Dörfern Oud-Aalden oder Zweeloo zum Beispiel spürt man die Atmosphäre historischer Zeiten, eine Anziehungskraft, die noch heute Künstler anzieht.

Andere Routen führen durch die Natur, durch noch heute einsame Gegenden, gerade Moorlandschaften haben in der dunklen Jahreszeit einen besonderem Reiz. An mancher Stelle wurden transparente Schautafeln installiert, so lässt sich das Landschaftsbild von damals (mittels Bildern historischer Begebenheiten auf durchsichtigem Medium) mit der Gegend von heute betrachten (die man eben durch das Glas sieht) – so schweben zum Beispiel Bilder alter Katen oder Frauen, die einst im Moor arbeiteten, über den Weiden von heute.  

Die niederländische Provinz Drenthe grenzt an das südliche Niedersachsen und liegt dem Emsland gegenüber. Das hier beschriebene niederländische Naturreservat Bargerveen grenzt an Deutschland, dort setzt sich das Moorgebiet mit entsprechenden Naturschutzgebieten fort. Das Bargerveen lässt sich auf ausgewiesenen Wegen gut zu Fuß und mit dem Fahrrad erkunden. Ein empfehlenswerter Ort für eine Einkehr hier zum Beispiel das Restaurant „Wollegras“ nahe dem Ort Weiteveen , gelegen direkt am Rand des Bargerveen. (www.restaurantwollegras.nl)

Urlaubsland Niederlande:  www.holland.com
Reiseziel Provinz Drenthe: www.besuchdrenthe.de

Unser Autor übernachtete in Stieltjeskanaal (Gemeinde Coevorden): www.bij-aquamarijn.nl 

Empfehlenswertes Restaurant im Ort Zweeloo:  www.aelderstroom.nl

Empfehlenswertes Pfannkuchenhaus im Ort Aalden: www.pannenkoekboerderij.nl

(touristische) Informationen, auch zu Van Gogh in Drenthe: www.vangoghdrenthe.de 

Auf transparenten Schautafeln kann der Blick Vincent van Goghs nachvollzogen werden. Foto: Mario Vedder
Im Van Gogh Haus in Nieuw-Amsterdam. Foto: Mario Vedder

„Van Gogh Huis Drenthe“ im Ort Nieuw Amsterdam/Veenoord, hier wird die wenig bekannte Lebens- und Schaffensphase des Künstlers in Drenthe erzählt. Um Besucher auf seine Spur zu setzen, um das Unbekannte zu entdecken. Ein empfehlenswertes Museum und ideal als Beginn einer Reise auf den Spuren des Künstlers in der Provinz Drenthe.

Van Gogh wanderte viel, und er schrieb regelmäßig Briefe an seinen Bruder Theo, Kunsthändler und Unterstützer Vincents. Aus diesen Briefen wird die Bedeutung der Provinz, der Natur und „Ur“-Landschaft Drenthes, auch ihrer Menschen, für Vincent van Gogh deutlich. Die Briefe hängen als vergrößerte Kopie im Museum. Klassische Ausstellung und multimediale Aufbereitung führen die Besucher durch die Gedanken des Künstlers und diese Welt, in der er Inspiration suchte, Motive wie Sujets und auch Ruhe fand. Seine Zeilen spiegeln Eindrücke wieder, die man so noch heute hier finden kann.  www.vangogh-drenthe.nl

Diese Reise wurde unterstützt vom niederländischen Büro für Tourismus und Marketing DrentheAlle Angaben ohne Gewähr. Dieser Bericht stellt keine Wertung untereinander und/oder gegenüber anderen Unternehmen, Personen, Waren oder Dienstleistungen o.ä. dar und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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