Von Oliver Abraham

Werfenweng/Land Salzburg, Österreich. Es sollte eigentlich ein Wandertag werden: oberhalb von Werfenweng und unterhalb der Alpengipfel des Tennengebirges. Die Moosalm Werfenweng. Doch das Salzburger Land versinkt im Regen, und erfahrene Wanderer wissen, wann man’s sein lässt. Und die Wanderführerin hat eine Idee: „Hier wollten wir eh hin – dann kommen wir eben früher und bleiben länger. Auf der Moosalm.“

Authentisches Almleben im Salzburger Land. Foto: Oliver Abraham
Authentisches Almleben im Salzburger Land. Foto: Oliver Abraham

Moosalm Werfenweng: Rückzugsort auf 1600 Metern im Salzburger Land

Die Moosalm liegt auf gut 1600 Metern Höhe. Fichten und Tannen begrenzen die Weideflächen, einzelne, große Lärchen stehen auf der Alm; sie bekommen im Herbst goldfarbene Nadeln. „Im September kommt schon der erste Frost“, berichtet Anita Schmid, die Sennerin.

„Gezählt ab den ersten Frühlingstagen haben wir rund hundert Tage Bewirtschaftung über den Sommer.“

Die Moosalm in Werfenweng liegt auf gut 1600 Metern Höhe, Rinder tauchen im Nebel auf. Foto: Oliver Abraham
Die Moosalm in Werfenweng liegt auf gut 1600 Metern Höhe, Rinder tauchen im Nebel auf. Foto: Oliver Abraham

Könnte man etwas sehen, es wäre ein herrliches Hochgebirgs-Panorama vor dem Tennengebirge. Der Regen lässt nach, als Anita die Alm zeigt, Nebel zieht auf. Rinder tauchen aus dem Dunst auf, trotten vorbei, nebelnass und neugierig. Die Tiere verschwinden wieder im Nebel, so still, wie sie gekommen sind. „Wir machen Butter und Käse immer nur im Sommer, auf der Alm. Schnittkäse wird von unserer Milch vom Käser im Tal in verschiedenen Sorten gemacht. Milch gibt’s das ganze Jahr – wir sind meistens von Anfang Juni bis Ende September auf der Moosalm“, berichtet Anita.

Almleben und Tradition: Familie Schmid auf der Moosalm

„Ich freue mich jedes Jahr, wenn es wieder auf die Alm geht“, sagt Anita, „alles hat seine Zeit. Wenn im März hier die Ski-Saison zu Ende geht, freue ich mich, wenn es wieder rauf geht. Wenn es im September wieder kalt wird, freue ich mich auf daheim.“ Sie, Ehemann Felix und ihre drei Kinder haben einen Bauernhof unten im Tal, im Dorf Pfarrwerfen. Die Gebäude auf der Alm sind 200 bis 300 Jahre alt. „Telefon haben wir hier oben, aber kein WLAN und keinen Fernseher.“ Das Holz der Gebäude ist im Laufe der Zeit dunkel geworden; vor den Fenstern hängen Blumenkästen mit Geranien darin, in Töpfen darunter wachsen allerlei Kräuter.

Schiene die Sonne: Schmetterlinge – den Distelfalter und den Großen Fuchs zum Beispiel – würden wir sehen, und Kreuzottern vielleicht beim Sonnenbad. Enzian und Frauenmantel, Thymian und Minze wachsen hier, und noch viel mehr. Manche Blüte leuchtet hier und heute im Regen nur umso kräftiger; duften tun sie auch jetzt. Adler könnten wir im Himmel sehen und Milane, Murmeltiere pfeifen hören bei Alarm. „Das ist hier unser Sonnenplatz“, sagt Sennerin Anita, eigentlich. Dann bittet sie in die gute Stube. Familie Schmid bewirtschaftet die Alm und versorgt Wanderer, nicht nur die bei Regen Gestrandeten.

Alm-Jause und hausgemachte Produkte direkt vom Hof

Denn auf der Moosalm kann man einkehren. Anita serviert Butterbrote mit selbstgemachter Marmelade oder Honig. Sie setzt Kräutersirupe an. „Dazu verwende ich Mischungen zum Beispiel aus Schafgarbe, Thymian, Minze oder Spitzwegerich und lege die Kräuter in Zuckerwasser ein“, sagt sie und pflückt Frauenmantel aus einem kleinen Beet, „…das sammle ich mir z’sammen.“

Kräftiges Bauernbrot mit Speck und Wurst. Foto: Oliver Abraham
Kräftiges Bauernbrot mit Speck und Wurst. Foto: Oliver Abraham

Die Moosalm liegt auf der Ladenbergalm; Letztere gehört drei Bauern gemeinsam, die Moosalm nur Familie Schmid. Jeder der beiden anderen Bauern hat seine eigene Hütte und bewirtschaftet sie mit Jungvieh. Auf der Alm leben rund 90 Rinder. Die Tiere, es ist Fleckvieh, sind an die Witterung und das Futter angepasst. Und: „Nehmen Sie Ihre Hunde bitte an die Leine, Wanderer und Radfahrer – bitte absteigen und langsam fahren – mögen Rücksicht auf das Vieh nehmen“, sagt Anita, „selbstverständlich ist das heute leider nicht.“

Wir gehen rein, und Anita serviert ein Brett, eine Alm-Jause, mit Speck, Gürkchen, Zwiebeln, geräuchertem Rindfleisch, kräftigem Bauernbrot, Pfefferbeißern, Käse nach Art eines Tilsiters (natur oder mit Bockshornklee, Chili und natürlich mit Kräutern), Butter. Vollmilch und Buttermilch gibt es, letztere auch mit Preiselbeeren. Quellwasser mit Almkräutersirup – Zitronenmelisse, Holunderblüten, solche Sachen. Es gibt selbstgebrannte Schnäpse, sogar einen Vogelbeerbrand, der ganz leicht nach Marzipan riecht.

Der Alltag auf der Alm: Harte Arbeit und tiefe Verbundenheit

Anita heizt den Ofen ein, die Scheite knacken im Feuer. In der Küche schimmert der Kupferkessel; Graukäse werde sie heute herstellen, einen Sauermilchkäse. Anita legt weitere Scheite nach. Es knistert jetzt leise im Ofen, und von draußen sind, wie von fern klingend, Kuhglocken zu hören. „Almwirtschaft betreibt unsere Familie seit den 1950er-Jahren“, berichtet Anita, „eine Gastwirtschaft hier oben seit den frühen 2010er-Jahren.“ Das biete sich für ein Zusatzeinkommen an, und es unterstreiche doch die Wertigkeit der eigenen Produkte. Und Freude macht es auch.

Es gibt viel zu tun auf der Alm, sagt Sennerin Anita. Foto: Oliver Abraham
Es gibt viel zu tun auf der Alm, sagt Sennerin Anita. Foto: Oliver Abraham

Almen sind Orte des Innehaltens

Almen heutzutage sind keine Freilichtmuseen und werden auch nicht als gesellschaftliche Verpflichtung betrachtet. Hier oben wird etwas mit Liebe, Lust und Leidenschaft gelebt, erhalten und schließlich auch produziert. Etwas, das geschätzt wird. Vielleicht sogar mehr denn je. Authentizität gehört dazu, nicht allein Essen und Trinken. Almen wie diese sind auch Orte des Innehaltens.

„Es gibt viel zu tun“, sagt Anita, „es ist wegen der vielen Arbeit nicht nur romantisch auf der Alm. Um sechs Uhr in der Früh fange ich mit dem Melken an, das sind 300 Liter Milch pro Tag“, berichtet Anita, „der Arbeitstag endet mit verschiedenen Arbeiten meist um ungefähr 20 Uhr. Hier oben mache ich auch Butter und Käse.“ Auf der Ladefläche des Pick-ups stehen Milchkannen; sie wird auch per Geländewagen runter ins Dorf gefahren und dort entweder vom Käser zu Schnittkäse verarbeitet oder an die Molkerei abgeliefert.

Geschichte und Wandel der Almwirtschaft im Salzburger Land

In das Holz einer Vertäfelung in der Stube sind alte Zeichen eingeritzt; Liebesherzen zum Beispiel, manche Zinken sind geheimnisvoll und sonderbar, „…was sie bedeuten, weiß auch ich nicht.“ Die Innenwände sind weiß, die Holzdecken dunkel und niedrig. Der Dielenfußboden ist blank, und die Tische haben so manches Mahl getragen; in der Ecke hinter der Bank wacht der Gekreuzigte.

Almwirtschaft gibt es in dieser Gegend seit der Bronzezeit, ihre Blütezeit hatte sie während der klimatisch günstigeren, weil wärmeren, Zeit im Mittelalter. Als sich das Klima vor knapp vierhundert Jahren abzukühlen begann, ging die Almwirtschaft zurück; nach den Weltkriegen verschärfte der tiefgreifende Strukturwandel in der Landwirtschaft den Niedergang.

Aber: Mit sogenannten Alpungsprämien konnte die komplette Talfahrt der althergebrachten Almwirtschaft immerhin gebremst werden. „Wir sind meistens von Juni bis Ende September auf der Moosalm, je nach Weide und Wetter. Die Tiere werden mit Traktor und Hänger gebracht, es ist leichter so, und zum Treiben bräuchte man viele Personen. Im Herbst sind Tiere zum Teil hoch trächtig, dann ist es für sie nicht ideal, so weit zu gehen“, sagt Anita.

Almen existieren wegen der Bewirtschaftung

Almen existieren nicht trotz der extensiven Landwirtschaft, sondern wegen einer Bewirtschaftung. Passiert das nicht, wachsen Almen mit Gräsern, Büschen und Bäumen zu. „Es geht dann nicht nur eine historische Kulturlandschaft und Wirtschaftsweise verloren, sondern auch eine wertvolle Tier- und Pflanzenwelt, die nur dort, nur deshalb, wegen der offenen Landschaft überhaupt existieren kann“, berichtet Anita. Grundsätzlich ging bereits viel Almfläche verloren, denn es ist mühsam und passt nicht in die moderne Landwirtschaft. Die Wende aber sei geschafft, berichtet Anita, es gebe Fördergelder, bis hinauf zur EU, und auch der Tourismus profitiere davon.

Regen prasselt wieder an die Scheiben, und Fensterläden klappern im Wind. Sonst ist nicht viel zu hören. „Die Stille“, meint Anita, „…mancher Gast sagt, dass diese Stille das Schönste sei.“ Es riecht nach Rauch, und es wird warm in der Stube, Fenster sind beschlagen. „Du bist auf der Alm natürlich nicht ganz frei von Sorgen, von den Alltagssorgen“, berichtet Anita, „aber du hast den Kopf hier oben frei. Nach der Auffahrt ist es ein anderer Takt, ich lebe in einem anderen Rhythmus. Ich bin dankbar für diese Form der Entschleunigung, obwohl es natürlich viel Arbeit ist. Doch – es ist eine Form der Freiheit mit dem selbstständigen Wirtschaften.“

Weitere Informationen und Links:

Diese Reise wurde unterstützt von Österreich Werbung und Tourismusverband Werfenweng.

Alle Angaben ohne Gewähr. Dieser Bericht stellt keine Wertung untereinander und/oder gegenüber anderen Unternehmen, Personen, Waren oder Dienstleistungen o.Ä. dar und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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