Von Mario Vedder

Portugal, Lissabon. Es quietscht, rattert und ratscht. Ein schepperndes Klingeln, ein harter Stoß von einem Auto, das etwas zu forsch dem Kopfsteinpflaster Paroli bieten. Die engen Gassen verwirren, wir sind mitten in der Altstadt von Lissabon gelandet, quasi direkt vor der Tram 28, die mit ihrem historischen Geknatsche und holzgetäfelten Interieur eines der Wahrzeichen der portugiesischen Hauptstadt ist.

Sie ist alt, ihr Gelb leuchtet im Halbdunkel: Die Tram 28 in Lissabon. Foto: Mario Vedder
Sie ist alt, ihr Gelb leuchtet im Halbdunkel: Die Tram 28 in Lissabon. Foto: Mario Vedder

Sie schlängelt sich durch die engen Gassen der alten Viertel, hält hier am Praca Luis de Camoes direkt vor unserer Nase, haucht uns mit ihrem heiseren Ruf der alten Bremsen ihr „Willkommen“ entgegen. Die Bahn ist alt, aus den dreißiger Jahren, ihr Gelb leuchtet im Halbdunkel, überklebt von klassischer Colawerbung, verziert mit Graffiti.

Unbeschwerte Abende im Bairro Alto

Überhaupt, diese Malerei mit den Sprühflaschen. Unsere Heimat der nächsten Tage ist übersäht von Graffiti, im Bairro Alto gibt es kaum einen alten Stein, der nicht ein Hauch moderner Farbe gesehen hat. Dazwischen die bunten Kacheln, blaue Mosaike, alte Fliesen in rot und gelb.

Hier im alten Teil der Stadt lebt das junge Leben. Nachtleben heißt hier Musik, Essen, Unterhaltung und eben Leben. Die Menschen sind entspannt. Sitzen auf der Strasse, in Cafés, auf den Stufen in engen Gassen, trinken Bier, lachen, rauchen Selbstgedrehtes. Unbeschwert ist wohl das richtige Wort, um die Abende im Bairro Alto zu beschreiben.

Direkt vor unserer Haustür fährt eine weitere Bahn ihre altgediente Strecke hinauf. Obwohl, eigentlich lässt sie sich ziehen und mit ihr die Menschen, die den steilen Anstieg nicht zu Fuß hinter sich bringen wollen.

Lissabon ist nunmal sehr steil zwischen seinen sieben Hügeln, da gibt es einige der sogenannten Standseilbahnen, eine besonders hübsche davon ist die ab der Station Rua de Sao Paulo. Portugals Hauptstadt zieht seinen Charme aus der Geschichte, zeigt mit multikultureller Gastfreundschaft den Weg in die Zukunft.

Lissabon liegt zwischen Hügeln direkt am Atlantik

Wunderbar hügelig am Atlantik gelegen, bietet Lissabon vor allem auch eines: exzellente Küche, wunderbare Restaurants und gemütliche Bars.

Die Highlights Lissabons in 50 Sekunden. Video: Mario Vedder
Kulinarische Verführung

Ein wirklicher hervorragender Einstieg in Lissabons kulinarischen Verführungskünste ist ein noch recht junges Angebot in einer alten Halle: der Time Out Market. Die alte Markthalle mit den imposanten Eisenträgern gibt es schon seit 1882, früher verkauften hier im „Mercado da Ribeira“ Gemüsehändler ihre Waren, Fische und Meeresfrüchte wurden angeboten, Obst und Blumen und Wurst an die Kunden gebracht.

Time Out Market

Seit 2014 ist dieser Teil des Ufermarktes südlich des Bairro Alto kurz vor dem Hafen Geschichte und die wenigen verbliebenen Händler bieten seitdem ihre Waren im östlichen Teil der ehrwürdigen Hallen an. Den Westflügel hingegen baute man in einen modernen Food Court um, einen Gourmet-Tempel mit Selbstbedienung und freier Platzwahl unter den rund 700 schlichten Sitzgelegenheiten. Soweit nichts besonderes also, zumindest auf den ersten Blick: Burger, Pizza, Fisch und Eis, untergebracht in historischem Gemäuer.

Ein Schelm, wer da nicht an hippen Menschenfang dächte, an Touri-Falle im modernen Hipstergewand. Doch weit gefehlt, denn trotz all der Moderne bietet der Time Out Market Tradition, die Tradition des guten Essens nämlich, des Genusses, der Vielfalt.

Früher gab es hier Gemüse vom Land, heute ist die Mercado da Ribeira ein moderner Food Court. Video: Mario Vedder
Fisch und Schinken

Hier präsentieren sich einige der besten Adressen der Stadt mit sehr reduzierten Angebot, hier gibt es vor allem natürlich Fisch und alles, was die Nähe zum Meer noch so hergibt, hier gibt es aber auch den wohl besten Schinken der Region, und es gibt alternativ zu all den traditionellen Gerichten tatsächlich auch gute Burger oder hervorragende Pizza, hier kommt tatsächlich jeder Geschmack auf seine Kosten. Das Procedere ist einfach: Ist erstmal ein Platz ergattert, holt sich jeder seine Lieblingsspeisen, gezahlt wird per Karte, ein Buzzer informiert, wann die stets frischen Gerichte abgeholt werden können, dazu gibt es hervorragende regionale Weine, Bier, an vielen Tagen im Sommer auch Livemusik. Als Einstieg in die Kulinarik Lissabons ist der Time Out Market eine wunderbare Adresse, nicht ganz billig, aber im Preis-Leistungs-Verhältnis ganz vorne.

Pastel de Nata – ein Muss in Lissabon

Apropos Kulinarik, ein absolutes Muss in Lissabon sind die Pastel de Nata, Blätterteig-Törtchen mit Cremefüllung, es gibt sie an jeder Ecke, frisch gebacken und noch warm, morgens, mittags, abends, sie sind immer ein Genuss, pur oder zum Kaffee. Die Pastel de Nata oder richtig im Plural Pasteis de Nata sind Portugals Nationalspeise und erfunden haben sie Mönche in Belem, einem Stadtteil Lissabons, schon vor 180 Jahren, im Hieronymuskloster.

Zucker, Eier und paar Legenden

Das Ur-Rezept der zuckrigen Creme-Törtchen ist immer noch streng geheim, nur drei Bäcker sollen es bis heute kennen: Zucker, Eier und Mehl, Milch und Butter und ein paar Legenden um Nonnen, die zur Stärkung ihrer Hauben Unmengen an Einweiß benötigten und damit das Eigelb als Basis zur täglichen Produktion von Blätterteig-Törtchen quasi übrig hatten. Mönche, die nach der Schließung ihres Klosters ihre Erfindung der süßen Rezeptur an einen örtlichen Zuckerfabrikanten verkauften leiteten so wohl so den weltweiten Siegeszug der wohl sündigsten Versuchung Lissabons in die Wege.

Portugal ist eine Metropole zum Genießen mit allen Sinnen. Am besten zu erkunden tatsächlich zu Fuß, auch wenn die beträchtlichen Höhenunterschiede nicht zu unterschätzen sind.

Lissabon, Portugal. Der historische Aufzug Elevador Santa Justa. Foto: Mario Vedder
Der historische Aufzug Elevador Santa Justa. Foto: Mario Vedder

Die kleinen historischen Straßen- und Standseilbahnen verkürzen die Laufdistanzen, ein besonders schöner historischer Aufzug ist der Elevador Santa Justa, der die Besichtigung des hoch gelegenen Viertels Bairro Alto sehr erleichtert und von oben einen phantastischen Blick auf die Stadt bietet. Eine noch recht junge und gerade für Neuankömmlinge zu empfehlende Alternative zur Bahn ist die Stadttour mit einer Rikscha.

Eine noch recht junge und gerade für Neuankömmlinge zu empfehlende Alternative zur Straßenbahn ist die Stadttour durch Lissabon mit einer Rikscha. Foto: Mario Vedder
Eine noch recht junge und gerade für Neuankömmlinge zu empfehlende Alternative zur Straßenbahn ist die Stadttour mit einer Rikscha. Foto: Mario Vedder
Mit einer Rikscha durch die Hügel

Die kleinen inzwischen überwiegend elektrischen Dreiräder passen durch die engsten Gassen, angefahren werden alle touristischen Highlights, viele Informationen und Hinweise durch die Fahrer inklusive. Die meisten Rikschas fahren ganz nach Kundenwunsch, kosten ab 60 Euro pro Stunde und haben meistens Platz für mindestens vier Passagiere, man findet sie an allen größeren Plätzen der Stadt.

Unbedingt anfahren: den Aussichtspunkt Senhora do Monte, ein Wahnsinnsausblick, unbedingt ausgehen: im Bairro Alto, unbedingt machen: Wiederkommen. Sehr zu empfehlen: ein paar Tage in Lissabon verbringen und danach weiter Richtung Algarve.

Lissabon, die Stadt der sieben Hügel. Foto: Mario Vedder
Lissabon – Stadt der sieben Hügel. Foto: Mario Vedder

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