Von Oliver Abraham

Werfen/Land Salzburg. Aus dem Schlund dieser Höhle weht ein eisiger Hauch, Wasser rinnt aus Spalten und Klüften über den Fels, es tropft überall. Je weiter ich in die Öffnung hinabsteige, desto kälter wird es. Draußen, sommerlich dampfig und vorgewittrig, weht Nieselregen vorbei, hier drinnen kondensiert das Wasser zu eisigem Nebel.

Höhlensystem der Eisriesenwelt in Österreich fasziniert

Das Höhlensystem der Eisriesenwelt in Österreich umfasst bisher 42 bekannte Kilometer und gilt mit ihren Hallen und Gängen als die größte Eishöhle der Welt. Foto: Oliver Abraham
Das Höhlensystem der Eisriesenwelt in Österreich umfasst bisher 42 bekannte Kilometer und gilt mit ihren Hallen und Gängen als die größte Eishöhle der Welt. Foto: Oliver Abraham

Am Eingang zur Eishöhle werden Karbidlampen verteilt

Auf dem Schild am Höhleneingang steht „besonders geschützte Höhle“ und „Naturdenkmal“; was kommen wird, ist phantastisch, unbegreiflich, wunderschön. Und das Schild kündigt eintausendvierhundert Treppenstufen an. 

Dies ist eine Eishöhle und die Höhlenführer haben ihre Basis in einem Holzgebäude innerhalb der Höhle, wie eine Berghütte, hier ruhen Sie sich zwischen den Touren aus und wärmen sich auf, hier holt Siegi, einer der dienstältesten Höhlenführer, Lampe, Helm und eine Rolle Magnesium-Metall in Form eines dünnen Bandes. Der Höhleneingang ist so groß, dass eine Kirche darin Platz hätte und führt trichterförmig in den Berg, Siegi sammelt seine Gäste. Der Pfad endet vor der Höhlentür, Karbidlampen werden verteilt, das Gas riecht leicht nach Knoblauch und die Flamme spendet warmes Licht.

Das Höhlensystem der Eisriesenwelt in Österreich, Atem und Kleidung dampfen. Foto: Oliver Abraham
Das Höhlensystem der Eisriesenwelt in Österreich, Atem und Kleidung dampfen. Foto: Oliver Abraham

Die kalten Klauen der Kälte

Ein eisiger Hauch. Der Atem und die Kleidung dampfen, die Kälte greift mit kalten Klauen nach den Besuchern. Siegi geht an die Tür, und nochmals der Hinweis: Aufpassen, Festhalten, Vorsicht jetzt! Er öffnet die Tür und ein Sturm brüllt umgehend los, ein Heulen und Brausen. Je nachdem wie warm es draußen ist, kann beim Öffnen der Höhlentür ein Orkan mit Windgeschwindigkeiten um die hundert km/h losbrechen. 

Bald stehe ich auf einem Eis-See, Eiskaskaden hängen an den Wänden und aus der Decke quillt ein  Eisfall. Der Hauptgang führt tief in den Berg entlang eines Eisfeldes, die Treppe ist eingezwängt zwischen ockerfarbenem Fels und einem Gletscher im Berg. Nach einer weiteren Strecke stehe ich in einer Zauberwelt: Der Luftzug in der Höhle hat Gänge in das Eis geschmolzen. Der Führer steht jetzt in einer solchen Höhle im Eis, Besucher bleiben hinter dem Geländer auf dem Weg, und er zündet das Magnesium-Metall an, es verbrennt hell wie ein Blitz. 

Kristalle funkeln, Lichtmalerei in Eis. Foto: Oliver Abraham
Kristalle funkeln, Lichtmalerei in Eis. Foto: Oliver Abraham

Eis funkelt wie Kristalle, schimmert in Türkis und Grün

Dann ist es wieder dunkel, plötzlich flammt das Licht an anderer Stelle im Eis erneut auf, der Führer steht neben einer schlanken Eissäule. Manche der Gardinen und Schleier aus Eis sind glasklar, andere funkeln wie Kristalle; hier ist das Eis farbig wie ein Türkis, dort grün wie ein Smaragd. Es ist unbegreiflich, der Geist muss mitkommen und deshalb gibt es während der Führung immer wieder Pausen, Erklärungen, das Spiel mit Feuer und Eis. Die Höhlenführer machen das gut. Die frühen Entdecker waren derart beeindruckt, dass sie Plätze und Eisformationen in der Eisriesenwelt nach Orten und Gestalten der nordischen Mythologie benannten. Was sonst gab es Vergleichbares.

Das Höhlensystem der Eisriesenwelt umfasst bisher 42 bekannte Kilometer und gilt mit ihren Hallen und Gängen als die größte Eishöhle der Welt. Manche Bereiche dieses Labyrinthes sind noch unerforscht. DieMenge an Eis in der Höhle ist nicht bekannt, doch allein auf einer Strecke von einem Kilometer im vorderen Bereich befinden sich 10.000 Quadratmeter Eis allein am Boden, das zu einer Mächtigkeit von bis zu zwanzig Meter angewachsen ist.Damit sich Eishöhlen bilden können, braucht es zwei wichtige Voraussetzungen: ein Gebirge, dessen Fels Klüfte aufweist, und eine Höhenlage, die lange und kalte Winter gewährleistet. Beides ist hier in den Nördlichen Kalkalpen der Fall, in Österreich liegen die meisten der bekannten Eishöhlen weltweit.      

Höhlentor auf 1.640 Metern

Die Ursache für die Eisbildung in der Eisriesenwelt ist ein Austausch von Luftmassen: Kalte Luft ist schwerer als warme, kalte Luft liegt unten wie ein See und warme Luft steigt auf. Der Eingang liegt niedriger als andere, teils unbekannte, Öffnungen im Berg. Vom Höhlentor auf rund 1.640 Metern führen die begehbaren Gänge in den Berg hinauf. Im Fels sind Spalten, die die Oberfläche hoch über der Eishöhle erreichen. Wenn es im Winter draußen kalt wird, beginnt die wärmere Luft im Höhlensystem aufzusteigen, diese Luft kann über die Spalte entweichen. Und kalte Luft, solche unter dem Gefrierpunkt, wird im Winter beständig von unten in die Höhle gesaugt – der Kamineffekt. 

Somit kühlt sich das Gestein in der Höhle im Winter auf unter null Grad ab – im Winter ist die Höhlentür also geöffnet. Dann kehrt sich das Luftdrucksystem um: Im Sommer ist es in der Höhle kälter als draußen, die kalte Luft liegt in den tiefsten Bereichen der Höhle, zum Beispiel hinter dem Eingang. Kalte Luft kann man sich wie einen See vorstellen, mit entsprechendem Druck. Damit die kalte Luft nun nicht nach unten entweicht, sondern die Eisriesenwelt so lange und so stark wie möglich kühlt, ist die Höhlentür im Sommer geschlossen, sonst würde die kalte Luft aus der Höhle abfließen.

Im Frühjahr bildet sich das meiste Eis. Foto: Oliver Abraham
Im Frühjahr bildet sich das meiste Eis. Foto: Oliver Abraham

Das meiste Eis bildet sich im Frühjahr

Durch die nach oben führenden Klüfte entweicht nicht nur warme Luft, sondern Wasser fließt bei Tauwetter in die Höhle. Weil das Gestein und die Höhlenluft unter den Gefrierpunkt gekühlt sind, bildet sich im Berg Eis. „Die Temperatur des einsickernden Wassers liegt knapp über dem Gefrierpunkt“, erklärt Franz Reinstadler, Chef der Höhlenführer, „am meisten Eis bildet sich im Frühjahr, wenn die Höhle nach dem Winter besonders kalt ist und kaltes Wasser einfließt. Wo das Eis wächst, ist nicht vorhersehbar. An manchen Stellen wächst es im Frühling bis zu einem Meter.“ Das Eiswachstum könne bis in den Juni andauern. Im kommenden Frühling beginnt das Spiel aufs Neue. 

Wir stehen in der „Posselthalle“, 40 Meter ist sie breit und 30 Meter hoch, Holzstufen führen um einen Eisturm, dann ist ein Wall aus Eis erreicht – 40 Meter breit, 20 Meter hoch. Treppen queren diese Barriere. Franz Reinstadler, der verantwortliche Betriebsleiter erklärt: „Jedes Jahr im Frühling vor der Wiedereröffnung kontrollieren wir die Wege und Treppen, setzen instand, bauen neu. Wenn das Eis auch die Infrastruktur überfließt, muss das Eis vor Betriebsbeginn mühsam mittels Eispickel entfernt werden.“ Durch einen schmalen Durchlass gehe ich in die Hymirhalle, benannt nach einem finsteren Riesen aus der nordischen Sagenwelt. 

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Das Höhlensystem der Eisriesenwelt in Österreich umfasst bisher 42 bekannte Kilometer. Foto: Oliver Abraham

Negativer Einfluss durch Klimaerwärmung

Der Klimawandel beeinflusst auch die Eisdepots von Eishöhlen, beeinträchtigt das Eis in manchen Eishöhlen Europas. „In der Eisriesenwelt jedoch konnte dementgegen in den letzten Jahren sogar ein Eiswachstum beobachtet werden, das darauf zurückgeführt wird, dass nun schon früher im Jahr Schmelzwasser eindringt und daher die Zeitspanne des Eiswachstums verlängert wurde“, berichtet Friedrich Oedl, Geschäftsführer der Eisriesenwelt, „langfristig ist jedoch auch in der Eisriesenwelt ein negativer Einfluss durch die Klimaerwärmung zu erwarten.“  

Höhlenführer Siegi sagt: „Wo das Eis wächst, ist unvorhersehbar – je nachdem, wie die Götter es haben wollen.“ Wasser quillt an manchen Stellen beständig durch den Fels und lässt Eisformationen wachsen, dieses stetig sickernde Wasser sieht gefroren wie ein erstarrter Fluss aus. Die Entdecker haben ein Höhensystem, wo dieses Phänomen besonders deutlich zu sehen ist, „Wimur“ genannt, nach dem größten Fluss einer nordischen Saga. Hier stehen auch Eissäulen: „Diese Säule ist in zwei Jahren übermannshoch gewachsen, mit ihr hat hier niemand gerechnet – das war ein Wunder: auf einmal stand sie nach einem Winter da!“, berichtet Siegi.

Bizarre Figuren aus Eis

Der Weg führt nun zwischen den Eisblöcken der „Hymirburg“. Bizarre Figuren aus Eis, die wie Äste eines Nadelbaumes aussehen, wachsen aus der Wand. Bald bin ich dort, wo – zumindest den nordischen Sagen zufolge – Frostriesen leben: In „Niflheim“, der kalten und dunklen Nebelwelt des Nordens. Wieder zündet der Höhlenführer einen Streifen Magnesium an, wieder reflektiert Eis das Licht, wieder entstehen seltsame Bilder. Eis hängt in Fahnen und Zapfen bis zum Boden und auch feine Eisgebilde, zart wie Schleier. Bezeichnungen aus der Nordischen Sagenwelt auch auf dem weiteren Weg – „Donardom“ und „Odinsaal“, „Asenheim“ und „Thrymhalle“; Wettergott und Totengott, Gerichtstätte der Götter. Und hört man nicht ein fernes Heulen? Ich spüre einen Luftzug und bekomme Gänsehaut nicht allein der Temperatur wegen. 

Eisriesen tanzen, formen bizarre Gänge. Foto: Oliver Abraham
Eisriesen tanzen, formen bizarre Gänge. Foto: Oliver Abraham

70 Meter langer Eissee

Ich gehe durch Höhlenräume, wo das Eis am Boden bis zu 15 Meter mächtig ist, ich erreiche einen Eissee, der 70 Meter lang ist und 25 Meter breit. Und stehe schließlich neben einem Gletscher, der sich aus den Tiefen des Berges in eine gewaltige Halle wälzt. Wogen aus Eis, im Fließen erstarrt. Eis, das, so wirkt es, aus den Decken der Höhlen und Hallen fließt. Eis, das Felsen umfasst und in einen See aus Eis, der mit spiegelglatter Oberfläche unter schroffem Gestein liegt, kriecht.

Eiszapfen und Eissäulen, Gardinen aus Eis

Schatten flackern und Reflexe huschen über das Eis. Ich sehe Eiszapfen und Eissäulen – kurz und für den Augenblick im überhellen Magnesium-Licht eingefroren. Ich erkenne Gardinen aus Eis und Geflechte, zart und verspielt. Vielfältige Farben – blau, grün, gelb, orange, rötlich – und phantastische Formationen. Es ist so unfassbar wie ein verrückter Traum. Und ich habe das Gefühl, es sieht in Spiel von Licht und Schatten auch so aus, als ob die Figuren sich in ihren Palästen aus Eis manchmal zu bewegen beginnen. So, als ob die Eisriesen tanzen in ihrer kalten, unterirdischen Wunderwelt. 

Hinter dem Ort Werfen geht es hoch zur Eisriesenwelt. Foto: Oliver Abraham
Hinter dem Ort Werfen geht es hoch zur Eisriesenwelt. Foto: Oliver Abraham

Information:

Schon die Anfahrt zur Eisriesenwelt ist ein Vergnügen: Hinter dem Ort Werfen, gelegen auf 550 Höhenmetern, führt die Straße zunächst über die Salzach, dann über sechs Kilometer und in schönen Kurven hinauf zum Besucher- und Informationszentrum. Zu Fuß geht es weiter über Brücken und Schluchten zur Kabinenseilbahn. Der darauf folgende weitere Fußweg zum Höhleneingang dauert rund zwanzig Minuten. Wolken, Nebel und Regen wechseln sich ab, der Pfad – gut ausgebaut und mit vernünftigen Bergschuhen prima zu gehen auch bei Regenwetter – krallt sich an die Flanken des Gebirges. Galerien und Verbaue machen den Weg steinschlagsicher. Tausend Meter über dem Tal.

– Eisriesenwelt, gelegen oberhalb des Ortes Werfen, Bundesland Salzburg: www.eisriesenwelt.at

– Information zur Region: www.werfen.at / Tourismusverband Werfenweng: www.werfenweng.eu

– Information zum Reiseland Österreich, Österreich Werbung: www.austria.info

– unser Autor übernachtete im Bergresort Travel Charme in Werfenweng  www.travelcharme.com/hotels/bergresort-werfenweng

Diese Reise wurde unterstützt von Österreich Werbung

Alle Angaben ohne Gewähr. Dieser Bericht stellt keine Wertung untereinander und / oder gegenüber anderen Unternehmen, Personen, Waren oder Dienstleistungen o.Ä. dar und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. 

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