Von Oliver Abraham

Winkhausen/Nesselbach (Hochsauerlandkreis). Die schmale Straße führt in Kurven auf die Höhen des Sauerlandes. Der Blick fällt ins Tal, fällt auf Wälder, Wiesen, Weiden. Auf Bauernhöfe und auf Berge. Das Sauerland nennt sich das „Land der Tausend Berge“ und das Sauerland, gelegen in Nordrhein-Westfalen, ist auch das Land der Höhlen und Stollen. Das Land der vermutlich ungezählten Gänge in die Unterwelt.

Stefan Belke aus Winkhausen im Sauerland mit Käse im Stollen. Foto: Mario Vedder
Stefan Belke aus Winkhausen mit Käse im Stollen. Foto: Mario Vedder

Sauerland ist Land der Tausend Berge – und Stollen

Der Landwirt Stefan Belke (58) ist auf dem Weg zu einem dieser Stollen, er bringt Käse in ein altes Bergwerk. „Willkommen im Helleberg-Stollen“, sagt Bauer Belke, „hier lassen wir unseren Glück-Auf! Stollenkäse reifen.“    

Seit 14 Jahren produziert Stefan Belke aus Winkhausen Käse. Die Familie hält rund 70 Milchkühe auf den Weiden im Lennetal und im Offenstall. Foto: Mario Vedder
Seit 14 Jahren produziert Stefan Belke aus Winkhausen Käse. Die Familie hält rund 70 Milchkühe auf den Weiden im Lennetal und im Offenstall. Foto: Mario Vedder

Wertvolle Erze und den Baustoff Schiefer haben die Leute im Sauerland über Jahrhunderte aus den Bergen geholt, und viele dieser künstlichen Stollen, Kammern und Gänge existieren noch, meist tun sie das im Verborgenen. So wie hier. Stefan Belke holt sich bei einer befreundeten Familie den Schlüssel, geht durch eine Art Remise. Dann steht er vor einer unscheinbaren Holztür. Wer würde hier den Eingang in die Unterwelt vermuten, wer den Beginn eines Stollensystems mit Relikten ehemaligen Bergbaus. Diejenigen, die das Sauerland kennen. 

Käse aus Winkhausen

Seit 14 Jahren produziert Stefan Belke aus Winkhausen Käse. Die Familie hält rund 70 Milchkühe auf den Weiden im Lennetal und im Offenstall, dort duftet es nach Heu und riecht gut nach Vieh. Die Milch bringt Belke zur befreundeten Käserei nach Bad Berleburg-Elsoff, nach fünf Wochen kehrt sie als junger Käse in Form von vier Kilogramm schweren Laiben zurück auf den seit sieben Generationen bestehenden Hof der Familie Belke. Dort, im uralten Keller, gibt es einen Reiferaum gemauert aus schierem Bruchstein, wo die Rohmilchkäse  nach Gouda-Art in verschiedenen Geschmacksrichtungen, wie mit Bärlauch oder Bockshornkleesamen, mit Pfeffer oder über Buchenholz geräuchert, reifen. 

Käse reift tief im Bergstollen. Foto: Mario Vedder
Käse reift tief im Bergstollen. Foto: Mario Vedder

Käse reift im Stollen

Vor vier Jahren kam ihm die Idee, einen Teil seines Käses im Berg reifen zu lassen. Tiefer drin, länger, um zu erfahren, was daraus wird, ob das anders schmeckt und vielleicht noch besser. Einen geeigneten Ort fand er im Sauerland natürlich schnell: „Ein Freund von mir besitzt einen ehemaligen Schieferstollen, eben den Hellebergstollen, dort wurde noch bis in die 1950er-Jahre Schiefer abgebaut“, erklärt Stefan Belke auf dem Weg unter Tage, „der Stollen war noch offen und nutzbar, ich wollte es mit der Reifung von Käse im Berg einfach mal versuchen, wollte sehen und schmecken, wie sich Käse entwickelt, wenn er hundert Meter tief im Berg reift.“

Noch immer liegen Schienen am Boden des Stollens. Foto: Mario Vedder
Noch immer liegen Schienen am Boden des Stollens. Foto: Mario Vedder

Hinter der Holztür führt der Stollen in den Berg, noch immer liegen Schienen am Boden und eine Lore steht darauf. Wasser tropft von der Decke und von den Wänden des Stollens, rinnt über schroffen Schiefer, Stollenwasser fließt als Rinnsal am Boden des Ganges und Wölkchen stehen vor dem Gesicht, man atmet klare, kalte Luft.

Es ist ein Ort, der auf das Rohe reduziert ist. Lampen werfen spärliches Licht in diesen Stollen mit der Lost-Place-Atmosphäre und Stefan Belke stoppt an einer Eisentür. Hinter der Tür liegt die ehemalige Sprengstoffkammer – heute reift hier Käse. „Die Pflege im Stollen ist handwerklich nicht aufwendiger als im Keller zu Hause. Ich muss nur aufpassen, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, wann der Käse hier eben ausgereift ist“, sagt Belke, „zu weich darf er ja auch nicht werden, dann lässt er sich nicht mehr verarbeiten und verkaufen. Dieser Käse ist nur begrenzt verfügbar.“

Eine nussige Note liegt in der Luft

Roch es auf dem Weg in den Berg zunächst nach nassem Stein, so liegt jetzt eine aromatische, eindeutig nussige Note in der Stollenluft. Man riecht den Käse längst und schon bevor man die Laibe sieht, es ist ein anderer, hier ungewohnter Geruch, der verrät, dass im Berg etwas Besonderes passiert. Was ist das Geheimnis?

„Während der Reifung bildet sich um den Käse normalerweise eine immer härter werdende Rinde“, erklärt Belke, „schließlich wird es irgendwann ein Hartkäse. Reift der Käse aber hier im Stollen, ist er auch nach Monaten noch weich wie ein Butterkäse. Das liegt an der extremen Luftfeuchtigkeit von 95 Prozent im Stollen, der Käse reift anders, auch, weil es mit sechs bis acht Grad sehr kühl ist.“ Die Atmosphäre ist im wahren Wortsinn eine andere als über Tage. „Wir lagern nur Naturkäse im Stollen, keinen mit Kräutern oder Gewürzen. Das gelingt nicht, wir haben es probiert.“ 

Seit 14 Jahren produziert Stefan Belke aus Winkhausen Käse. Foto: Mario Vedder
Seit 14 Jahren produziert Stefan Belke aus Winkhausen Käse. Foto: Mario Vedder

Käse mit weicher, pikant-salziger Note

Der Käse altere im Stollen nicht so schnell, meint Belke. Geschmäcker können sich so entwickeln, wie es „oben“ nicht möglich wäre. „Der Geschmack ist ein weicher, doch pikant-salziger, fast so wie ein Blauschimmel“, berichtet Stefan Belke. Sicher habe sich hier inzwischen auch eine eigene Bakterienkultur entwickelt, die den individuellen Charakter eines jeden Käsekellers ausmacht – und damit den Geschmack eines jeden Käse. Stefan Belke lässt probieren. Der „Glück-Auf! Stollenkäse“ schmeckt gleichermaßen würzig wie cremig, nussig und rahmig zugleich, fein und intensiv, nach der guten Weidemilch von Belkes Schwarz- und Rotbunten. „Der Käse wird im Stollen kräftiger, aber er wird nicht trockener“, sagt Stefan Belke und wendet die Laibe.

Stollenkäse braucht seine Ruhe

„Wenn Käse reift, im Stollen ebenso wie bei uns im Reifekeller, braucht er grundsätzlich Pflege“, berichtet Belke, „die Laibe müssen regelmäßig gewendet und mit Salzlake abgerieben werden. Das muss ich auch im Stollen tun, aber seltener.“ Und es muss vorsichtiger passieren, da die Rinde des Stollen-Käses sehr viel weicher ist und nicht verletzt werden dürfe, deshalb lagert dieser Käse auch in Edelstahlregalen auf Holzlatten, er pappt nicht an und bekommt rundum Luft, kann ein wenig antrocknen. „Stollenkäse braucht eigentlich nur seine Ruhe, das ist mir in den vergangenen vier Jahren bewusst geworden – ich lasse den Glück-Auf! Stollenkäse mindestens drei Monate reifen. Die Käselaibe zu Hause werden ab der sechsten Woche nach der Käsung in den Verkauf gegeben.“ 

Rund 70 Milchkühe hält Stefan Belke Foto: Mario Vedder
Rund 70 Milchkühe hält Stefan Belke Foto: Mario Vedder

13. Deutscher Käsemarkt in Nieheim

Vom 30. August 2024 bis zum 1. September 2024 findet in der ostwestfälischen Stadt Nieheim (NRW) der 13. Deutsche Käsemarkt statt.

Pecorino aus Italien, Bergkäse aus der Schweiz, aromatischer Ziegenkäse aus Österreich oder Büffelmozzarella aus Deutschland sind nur vier der Spezialitäten, die man auf diesem kulinarischen Fest probieren kann.

Mehr als 500 handwerklich und mit Leidenschaft hergestellte Käsesorten lassen sich entdecken, Weine aus deutschen Spitzenlagen runden die kulinarische Reise ab. Rund sechzig Käser präsentieren sich in der Altstadt Nieheims, nicht nur aus den klassischen Käseländern wie Italien oder den Niederlanden, sondern auch aus nördlicheren Gefilden wie Ostfriesland, Großbritannien oder Irland.

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1. Deutsche Käsemarktkönigin Lena Schnelle mit dem Nieheimer Käse, Foto: BESIM MAZHIQI/Stadt Nieheim/Deutscher Käsemarkt

Der heilklimatische Kurort am südlichen Rand des Teutoburger Waldes ist die Heimat des kleinen, runden Nieheimer Käse, der wie manch andere traditionellen Spezialität seine geschützte geographische Angabe trägt, also einem durchgereiften Sauermilchkäse, der hier früher von dutzenden Betrieben hergestellt wurde.
Er ist mit Kümmel durchsetzt, schmeckt pikant und wird auch in derGastronomie als Spezialität geschätzt.

Was einst als kleiner Markt begann, ist längst ein überregionaler Publikumsmagnet. Die Besucherinnen und Besucher haben an diesen drei Tagen wieder die Möglichkeit, besondere Käsespezialitäten quer durch Europa zu verkosten und dabei eine von Generation zu Generation überlieferte Tradition zu erleben sowie die Geschichten zu manchem Käse zu erfahren“, sagt Stephanie Lorenz vom Organisations-Team, „mehr noch: neben den elf Winzern mit ihren zum Teil prämierten Weinen bieten auch regionale Anbieter Wurstwaren und Schinken, Marmeladen und Aufstriche an.“

Zwischen dem Deutschen Käsemuseum und dem Nieheimer Biermuseum entsteht eine italienische Piazza, auf der Gäste nicht nur flanieren und genießen, sondern auch eine Pause vom Markttrubel einlegen können. 

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Käsemarkt, Foto: BESIM MAZHIQI/Stadt Nieheim/Deutscher Käsemarkt

Im Deutschen Käsemuseumist der Raum des Geschmacks eingerichtet.  „Dort kann man alle Käsesorten des Marktes entdecken, mit kompetenter Beratung seinen Lieblingskäse finden und mit einem Glas Wein in Ruhe probieren“, berichtet Stephanie Lorenz.

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Imposante Käselaiber auf Handwagen, Foto: BESIM MAZHIQI/Stadt Nieheim/Deutscher Käsemarkt

Kunsthandwerk aus der Region, Food-Trucks mit unter anderem auch vegetarischen Gerichten, sowie Kinderspaß und Live-Musik runden das Programm ab.

Der Eintritt zum Marktgeschehen beträgt an jedem Tag drei Euro für Erwachsene, ein Wochenend-Ticket gibt es für sechs Euro. Kinder haben freien Eintritt. Das Parken an ausgewiesenen Standorten und der Park-Shuttle-Service sind kostenfrei. Information: www.nieheim.de
ALLE  ANGABEN  OHNE  GEWÄHR

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Foto: BESIM MAZHIQI/Stadt Nieheim/Deutscher Käsemarkt

Landwirt erinnert mit Käse an die Bergbaugeschichte der Sauerlands

Stefan Belke ist Landwirt im Haupterwerb, mit starkem ehrenamtlichem Engagement für die Landwirtschaft und seine Berufskollegen. Er war 14 Jahre lang Kreislandwirt des Hochsauerlandkreises und ist seit 30 Jahren für die landwirtschaftliche Genossenschaft aktiv.

Belke möchte auch mit dem Käse aus dem ehemaligen Schieferstollen an die Bergbaugeschichte des Sauerlandes erinnern und mit der landwirtschaftlichen Tradition der Milchviehhaltung verknüpfen. „Ich möchte das kulinarisch darstellen – wir Sauerländer haben ein enges Verhältnis zu unserer Geschichte und zu unserer Natur“, sagt Stefan Belke, der Landwirt aus Leidenschaft.

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Seit 14 Jahren produziert Stefan Belke aus Winkhausen Käse. Die Familie hält rund 70 Milchkühe auf den Weiden im Lennetal und im Offenstall. Foto: Mario Vedder

Stefan Belke im Kurzinterview:

  • Sind Sie auf dem Käsemarkt 2024 in Nieheim vertreten? „Nein, das bekomme ich zeitlich nicht hin.“
  • Bieten Sie Führungen an? „Wer zu uns kommt, ist herzlich willkommen. Wir zeigen gerne unsere Tiere, den Hof, unseren Käse. Zu den Verköstigungen gibt es Erklärungen zu unserem Käse und wie es dazu kam. Diese finden vor dem Stall bei den Kühen statt. Stollenführungen bieten wir keine an. Es gibt einen Käsekühlschrank mit allen verfügbaren Sorten und eine Vertrauenskasse.“

  • Aus den jährlich mehr als 13.000 Litern Milch, die Familie Belke für die Herstellung von Käse in verschiedenen Sorten verwendet, reifen über das Jahr lediglich rund 120 Kilogramm Stollenkäse – dieser Käse ist also nur begrenzt verfügbar. Mehr soll es auch nicht werden, denn er, so Belke, benötige die Natur-Variante als normalen Käse zum Verkauf. Aus dem größten Teil der Milch also reift bei Belkes überwiegend Käse in anderen Sorten (welche: www.derwinkkhauser.de).
  • Wo kann man ihren Käse kaufen, wo probieren und genießen?
  • Verkaufsstellen stehen auf der Homepage. „Unter unseren Kunden gibt es auch zahlreiche Restaurants, die beim Einkauf ihrer Produkte uns heimischen Direktvermarktern eine Chance geben – dafür sind wir sehr dankbar. Dazu zählen: Schäferhof Jagdhaus, Schinkenwirt in Olsberg. Außerdem im Hotel-Deimann gleich gegenüber unseres Hofes in Winkhausen oder auf den Mountainbike-Touren meines Bruders Hermann. Und natürlich bei der kulinarischen Stadtführung des Schmallenberger Tourismus.“
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Seit 14 Jahren produziert Stefan Belke aus Winkhausen Käse. Die Familie hält rund 70 Milchkühe auf den Weiden im Lennetal und im Offenstall. Foto: Mario Vedder

Jetzt ist wieder Ruhe im Reiferaum

Für heute hat Stefan Belke genug im Stollen getan; die Käse gewendet und geprüft. „Beim Käsen und Käse pflegen sind alle Sinne gefordert“, sagt Belke, „man muss Käse riechen, klopfen, fühlen, schmecken und natürlich mögen, sonst wird das nichts….!“ Stefan Belke nimmt einen Laib Stollenkäse, löscht das Licht und schließt die Tür der alten Sprengstoffkammer wieder ab. Wenn er ganz still ist, hört er nur das Wasser tropfen, und noch immer riecht es nussig nach dem Käse. Stefan Belke geht über die Schienen durch den Stollen. Lichtreflexe glitzern auf nassem Fels. Jetzt ist wieder Ruhe im Reiferaum, es ist dunkel, kalt und feucht, da unten und ganz tief im Berg.

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Seit 14 Jahren produziert Stefan Belke aus Winkhausen Käse. Die Familie hält rund 70 Milchkühe auf den Weiden im Lennetal und im Offenstall. Foto: Mario Vedder

Information und Kontakt: www.derwinkkhauser.de

Informationen zum Reiseziel Sauerland: www.sauerland.com

Diese Reise wurde unterstützt von Sauerland Tourismus.

  • Alle Angaben ohne Gewähr. Dieser Bericht stellt keine Wertung untereinander und / oder gegenüber anderen Unternehmen, Personen, Waren oder Dienstleistungen o.Ä. dar und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.  

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