Von Oliver Abraham

Nüsttal, Rhön. Wer kennt schon das Katzenpfötchen, wer den Schlangenknöterich? Schönes mit sonderbarem Namen wartet hinter dem Wald. Wandern und wundern: Auf den wilden Weiden und Bergwiesen der Rhön wächst eine bunte Vielfalt bis zum Horizont.

Bergwiesen der Rhön, wilde Pflanzen, seltene Kräuter
Rotklee (auch Wiesenklee genannt) ist in vielen Wiesen der Rhoen und an AckerräŠndern zu finden. Wandern und wundern: Auf den wilden Weiden und Bergwiesen der Rhöšn wŠächst eine bunte Vielfalt an KrŠäutern und wilden Blumen. Foto: Mario Vedder

Katzenpfötchen und Schlangenknöterich sind hübsch blühende Pflanzen, die da auf verborgener, verwunschener Wiese wachsen. Dies zu sehen, ist der Lohn nach ein wenig Anstrengung durch Anstieg.

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Arnika am Rand einer Bergweide. Wandern und wundern: Auf den wilden Weiden und Bergwiesen der Rhöšn wŠächst eine bunte Vielfalt an KrŠäutern und wilden Blumen. Foto: Oliver Abraham

Wanderung in wildromatischer Landschaft

Zuerst geht es durch den Wald oberhalb des Guckai-Sees. Nach der verwunschenen Quelle kommt der enge Durchlass im Weidezaun, ein Pfad führt hinauf und der Wald ist bald verlassen, die Landschaft am steilen Hang wird lichter. Regen lag längst schon in der Luft und nun schlagen die Tropfen in den Staub, schnell den Schutz gefunden unter einem Baum, der merkwürdig aussieht – unten kahl und oben ausladend, alt und ehrwürdig. Es riecht nach Dung, nach Vieh. Das Blätterdach bietet guten Schutz und zu hören ist nun das Rauschen des Regens; und ein Trampeln, ein Schnaufen. Ein paar Rinder kommen den Pfad hinunter gerannt und suchen ebenfalls Schutz unter einem Baum. Unterhalb des Pferdskopfes, einer freien und felsigen Kuppe, weiden Rinder halbwild. Das riesige Areal mit Wald und Weide ist ihres. Die Tiere sind friedlich und stehen meist abseits der ausgewiesenen Wege.

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Wandern und wundern oder einfach mal dem Vieh zuschauen: Auf den wilden Weiden und Bergwiesen der Rhšön wŠächst eine bunte Vielfalt an KrŠäutern und wilden Blumen. Foto: Oliver Abraham.

Schutz der Wildtiere beachten

„Das Wegegebot ist in erster Linie wichtig für den Schutz der Wildtiere“, erklärt Nadja Moalem vom LIFE-Projekt Rhöner Bergwiesen, „ …insbesondere der bodenbrütenden Vogelarten, die ihre Gelege in die Wiesen legen und daher leicht von Wanderern, Hunden und Rädern zerstört werden können.“ Die Landschaft ist wildromantisch: ein Mosaik aus Weiden und Bergwiesen, aus lichtem Gehölz und altem Buchenwald. Rinder, und anderswo Schafe und Ziegen, weiden hier auch vor allem, um die offenen Flächen frei zu halten. „Leider gibt es immer weniger Schaf- und Ziegenhalter*innen“, so Nadja Moalem, „Ziegen haben gegenüber der Rindern den großen Vorteil, dass sie auch dorniges Gehölz verbeißen und so besser Verbuschung verhindern können.“

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Ziegen verbeißen auch dorniges Gehölz auf den Bergwiesen der Rhöšn. Foto: Oliver Abraham.

Ziegen helfen beim Artenschutz

Genügsam wie sie sind, brauchen sie kaum menschliche Zuwendung und sie fressen das Karge, was da ist. Damit halten sie die für den Natur- und Artenschutz so wertvollen Flächen offen – Verbiss gegen Verbuschung. Und mit dem, sich im Wind wiegenden Gras, sieht´s ein wenig aus wie in der Savanne. Herb und wildromantisch, weit und wild. Die Rinder haben sich eine Baumgruppe in Sichtweite des Wanderers als Wetterschutz ausgesucht und nachdem der Schauer fortgezogen ist, gehen sie alle ihrer Wege; der Mensch und das Vieh. Gemächlich trotten die Tiere bald über die Bergweide südlich des Pferdskopfs, stehen hier und grasen dort, der Wanderer nimmt den steilen Anstieg auf steinigem Weg. Nun bleiben die noch wenigen Bäume, die vom ewigen Wind verkrüppelten Buchen und Birken zurück, auch das Gebüsch wird immer lichter, bis der Pfad auf eine offene Fläche mündet.

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Rotklee (auch Wiesenklee genannt) ist auf vielen wilden Weiden und Bergwiesen der Rhšön zu finden. Foto: Mario Vedder

Rhöner (Berg)-Wiesen sind wie ein bunter Blumenstrauß – farbenfroh, fröhlich, frisch: weiß blüht die Margerite und rosa die Wiesen-Flockenblume, gelb der Klappertopf und orange die Habichtskräuter, rot der Wiesenknopf und violett die kugelige Teufelskralle, blau die Kreuzblümchen. Atemberaubend ist dieser Weg im wahren Wortsinn: Steilhänge prägen das Landschaftsbild in der Rhön, auch atemberaubend ist der Blick in die offenen Fernen, über die weiten freien Flächen, wie hier, wo es bunt ist und blüht. Es ist wild und romantisch, wunderschön. Dies ist keine Natur im Urzustand, dies ist menschengemacht – und deshalb braucht es die Rinder, der Mensch und sein Vieh haben diese Landschaft geprägt.

Rhöner Bergwiesen sind wie ein bunter Blumenstrauß

„Die Landschaft der Rhön, wie sie sich heute präsentiert, ist das Ergebnis einer Jahrtausende langen Entwicklung durch die Nutzung des Menschen“, erklärt Torsten Raab, Leiter der hessischen Verwaltungsstelle des UNESCO-Biosphärenreservates Rhön. „Erste Siedlungsspuren in der Rhön stammen bereits aus der jüngeren Steinzeit, also aus der Zeit von 4000 bis 2000 v. Chr., erste größere Siedlungen aus der Zeit ab 500 v. Chr., in der die Kelten das kuppige Relief der Rhön besiedelten.“

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Ein bunter Blumenstrauß wie er typisch ist auf den vielen Wiesen der Rhön. Foto: Mario Vedder

Nach der Christianisierung wurde die damals durch weiträumige Buchenwälder geprägte Rhön von den Fuldaer Mönchen als „Buchonien“ bezeichnet. Damals gab es mehr Wald und weniger Weide, weniger Wiesen. Die Hohe Rhön war bis zu dieser Zeit kaum besiedelt. Dann wurde sie mehr und mehr genutzt – auch als Weide für Vieh. Hirten zogen umher, trieben Rinder und Schafe, Schweine und Ziegen, durch die Rhön. So entstanden auch die offenen Weideflächen, das Landschaftsmosaik, die offenen Fernen – sie sind eine alte Kulturlandschaft.

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Hummeln finden auf den Bergwiesen der Rhöšn eine Vielfalt an wilden Blumen. Foto: Oliver Abraham.

„Im Bereich des Grünlandes existieren in der Hessischen Rhön auch heute noch in ortsfernen Bereichen großflächige extensiv bewirtschaftete (Hute-)Weiden, wie beispielweise die Seifertser Hute oder die Barnsteiner Hute bei Gersfeld-Mosbach“, berichtet Elmar Herget, Leiter des LIFE-Projekts Rhöner Bergwiesen weiter, „…in diesen Bereichen haben sich durch die jahrhundertelange Bewirtschaftung vielfach Borstgrasrasen, Heiden oder magere Grünland-Gesellschaften entwickelt. Auch die heute noch existierenden Bergwiesen liegen in der Regel fern der Orte. Aber auch in den tieferen Lagen gibt es vereinzelt noch artenreiche Flachlandmähwiesen.“

Um diese Flächen zu erhalten, müssen sie entweder gemäht oder beweidet werden. Wegen der – teils überaus wertvollen und seltenen – Tier- und Pflanzenarten, die dort existieren, gelten strenge Regeln für die Bauern: Mahd nur ab einer bestimmten Zeit, wenn die meisten Wildblumen verblüht sind (und sich bereits wieder ausgesät haben) oder die Vogelbrut flügge ist, keine Düngung, vieles mehr. Wegen einer angepassten Beweidung, auch durch Schonung und Rückzugsräume, bleiben immer noch genug seltene Pflanzen vor dem Verbiss bewahrt, um Bestand und Vielfalt insgesamt zu erhalten. Landwirtschaft nach guter alter Sitte ist das. Ohne die Schäfer, ohne die Landwirte, die diese nachhaltige und extensive Haltung unterstützen, sähe es in der Rhön heute anders aus. Ärmer. „Nur in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft können die artenreichen Rhöner Bergwiesen erhalten werden“, betont Elmar Herget. Es ist eine bunte Vielfalt bis zum Horizont.

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Margeriten am Feldrand. Foto: Oliver Abraham.
Artenreichtum auf Rhöner Bergwiesen erhalten

Die waldfreien Hochflächen und Kuppen mit ihren ausladenden Tälern dürften in dieser Dimension und botanischen Ausstattung in Deutschland wohl einmalig sein. Es sind nicht nur grandiose Fernblicke und Perspektiven oder das Gefühl einer grenzenlosen Freiheit, es ist auch der Blick auf das Kleine, das fasziniert und überrascht – wer kennt schon Trollblume und Teufelskralle? Wer das Katzenpfötchen, wer das Läusekraut. Orchideen wie Bienenragwurz und Mannsknabenkraut gedeihen hier. Artenreich, bunt bis in den Herbst und von europaweiter Bedeutung sind die Bergweiden und Wiesen in der Rhön, gelegen übrigens an der Schnittstelle wärmeliebender, südlicher Pflanzengesellschaften und nordischer Arten.

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Rhöšnschafe dürfen auf den Weiden der Rhöšn natürlich auch nicht fehlen. Foto: Oliver Abraham.

Im Gefolge der Pflanzenvielfalt existiert eine solche an Insekten, in deren Folge die der Vögel. Anderswo selten gewordene Arten wie Neuntöter oder Raubwürger, Wiesenpieper oder Braunkelchen finden ihre Lebensgrundlage auf diesen Weiden und Wiesen. Auch den Schwarzstorch kann man mit Glück und Geduld beobachten. Der lebt zwar im Wald, kommt aber auf die Weiden und Wiesen, um dort nach Nahrung zu suchen. Es summt und brummt; Hummeln, Bienen, Grashüpfer. Perlmuttfalter, Schmetterlinge wie der Kaisermantel oder der Goldene Scheckenfalter tanzen durch das Licht. Auf den Bergwiesen in der Rhön, wo – und auch: wohin – man wunderbar wandern kann.

Information (beispielhaft):

  • Purpur-Knabenkraut kann auf der Extratour Ulmenstein bei Hofaschenbach (Gemeinde Nüsttal) entdecken
  • prächtige Bergmähwiesen, die man von einem Wanderweg aus bewundern kann, liegen u.a. auf dem Mathesberg (Gemeinde Ehrenberg). Die so genannte Mathesbergrunde ausgehend von Wüstensachsen (Rundweg 6) führt auch an Bergwiesen vorbei.
  • zwar kein Berg, aber – das Nüsttal rund um Mittelaschenbach ist besonders reich an Orchideen: durch ein Weidekonzept mit Schafen und Ziegen wurde eine Blütenpracht geschaffen: unter anderem Bocksriemenzunge, Ohnsporn, Händelwurz. Sonderbare Namen, schön anzusehen.
    Das UNESCO-Biosphärenreservat Rhön liegt im Dreiländer-Eck Thüringen, Bayern und Hessen. Information: biosphaerenreservat-rhoen.de
    Alle Angaben ohne Gewähr. Dieser Bericht stellt keine Wertung untereinander und / oder gegenüber anderen Unternehmen, Personen, Waren oder Dienstleistungen o.Ä. dar und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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