Von Mario Vedder
Lindau, Bayern. Roadtrip entlang der Alpen, ich bin mit meiner Inderin in Bayern, mit dem Motorrad unterwegs auf der Deutschen Alpenstraße, ein Herbstausflug bei fast sommerlichen Temperaturen.
Älteste Ferienstraße Deutschlands entlang der Alpen
Die späten Sonnenstrahlen zeigen schon einen deutlichen Trend zum Abendrot. Herbstlaub strahlt in allen erdenklichen Farbtönen, zaubert bunte Farbinseln in die bergige Landschaft, blauer Dunst steigt aus den Tälern auf. Ein wahnsinnig schönes Panorama, Pastell-Farben, letzte Sonnenstrahlen, Herbst in den bayerischen Alpen. Ein Blick bis in die Schweizer Berge, am Horizont bereitet sich der Gipfel des Bergmassivs „Säntis“ auf die Nacht vor, Kuhglocken bimmeln.
Das Paradies in Oberstaufen im Allgäu
Ich bin im Paradies. Der Ausblick, die Stimmung, das Panorama. Die innige Zweisamkeit von filmreifer Bergkulisse und Abendrot. Sie nennen das Fleckchen Erde hier tatsächlich „Paradies“, hier in Oberstaufen. Wie Recht sie haben bei diesem Panoramablick, diesem idyllischen Ausblick auf die Allgäuer Alpen. Es ist einfach so wunderschön entspannend, hier in die Runde zu schauen, auf die Nagelfluhkette, die Vorarlberger Alpen, die Schweizer Berge.
Mit der Royal Enfield Himalayan durch Bayern
Unterwegs im Allgäu, ein Roadtrip entlang der Deutschen Alpenstraße. Ok, und zur Aufklärung: Meine Inderin ist eine Royal Enfield Himalayan, die perfekte Begleitung für diesen kleinen Herbstausflug auf dem Motorrad, dem Fön sei dank bei nahezu sommerlichen Temperaturen, dafür mit ordentlich Wind, aber egal. Deutlich über 20 Grad und das Ende Oktober, kein Regen, ein paar Wolken, oft Sonne, perfekte Bedingungen für eine Tour auf Deutschlands ältester Ferienstraße.
484 Kilometer zwischen Boden- und Königssee
Die Deutsche Alpenstraße verbindet auf 484 Kilometern den Bodensee im Westen Bayerns mit dem Königssee im äußersten südöstlichen Zipfel des Bundeslandes. Eine Panoramastraße vom Feinsten, allein fahrerisch schon extrem abwechslungsreich von Bergpässen und langen Waldpassagen bis hin zu gemütlichen Etappen durch Almwiesen und entlang diverser Seen. Was das ganze aber besonders macht, sind die vielen Sehenswürdigkeiten am Wegesrand, die Möglichkeiten zum Klettern, Wandern, Schwimmen, zum Besichtigen von Schlössern, Städtchen und Museen. Man könnte mehrere Wochen entlang der Route verbringen, eine sollte man mindestens einplanen.
Indian Summer in Bayern
Ich starte am Bodensee, besuche Lindau (die einzige bayerische Stadt am Bodensee) und bummele entlang der Seepromenade, blicke auf die Schweizer Alpen, ein Ahornbaum erstrahlt in leuchtendem Gelb, es ist Herbst, goldener Herbst, manche sagen „Indian Summer“. Die Strecke ist gut ausgeschildert (meistens mit „Alpenstraße“, oft auch mit „Edelweiß“-Symbol), ich fahre am späten Nachmittag Richtung Oberstaufen, mitten ins Herz der Westallgäuer Berge, weiter nach Immenstadt und Oberreute.
Entlang der B 308 im Westallgäu
Die Royal Enfield Himalayan tuckert gemütlich den „Rohrach Anstieg“ hoch, der Weg oder genauer die B 308 schlängelt sich weiter durch’s westliche Allgäu. Das „Hutstädtchen“ Lindenberg mit dem Deutschen Hutmuseum liegt am Wegesrand, ebenso wie Scheidegg mit seinen imposanten Wasserfällen. Scheidegg ist übrigens einer der sonnenreichsten Orte Deutschlands und liegt zwischen 600 und 1000 Metern Höhe.
Es könnte noch stundenlang so weitergehen, allein der herbstliche Zeitbegrenzer gebietet Einhalt, es ist Ende Oktober, die Dämmerung schleicht schon gleich nach 17 Uhr über das Allgäu, bis kurz nach sechs Uhr ist es dunkel. Was für Farben jetzt am Ende des Tages erwachen, der Herbst gibt alles, buntes Laub, dazu das immer noch satte Grün auf den Wiesen, die braunen Kühe mit ihrer Glockendauerbeschallung. Pause, Abendessen, Übernachtung im urbayerischen Gasthaus, die Wahl zwischen Schweinsbraten mit Knödeln, Haxen oder Wild in Variationen. Es ist Herbst, Jagdzeit, die Gegend bietet zig urige Restaurants und Einkehrmöglichkeiten.
Route bereits 1879 erwähnt
Die Deutsche Alpenstraße gilt als die älteste Ferienstraße Deutschlands. Im Jahr 1879 wurde ihr Routenverlauf erstmals in einem Bericht erwähnt, 1927 wurde die Route dann offiziell nach einer Rede von Sanitätsrat Knorz „geboren“, dieser verkündete damals seine Idee, eine Straße schaffen zu wollen, die quer durch die Bayerischen Alpen führen sollte, um die Schönheit der Landschaft den Reisenden näher zu bringen und so den Tourismus fördern zu können. „Gute Idee“, denke ich, „passt“, und so befanden das damals auch die zuständigen Politiker und Funktionäre, seine Idee fand Anklang, mit dem Ausbau des ersten Abschnitts wurde 1933 in Inzell begonnen. 1939 waren rund 275 Kilometer durchgehend befahrbar, seit 1960 die komplette Route über 484 Kilometer zwischen Boden- und Königssee.
Übrigens die ungefähre Route der Alpenstrasse erkundete 1858 schon König Maximilian II.. Und wer die ganze Tour per Rad unternehmen möchte, kann das auf seinen Spuren tun, die Regionen entlang der Strecke haben sich im Verein „Bayerische Fernwege“ zusammengetan, unter anderem den „Bodensee-Königsee-Radweg“ geschaffen.
105 Kurven im Oberjochpass
Ich bevorzuge aktuell die motorisierte Bewegung per Royal Enfield und nehme heute besonders für Biker extrem schmackhafte Kilometer unter die Räder. Es geht auf den Oberjochpass, der in 105 Kurven hinter Bad Hindelang ansteigt und so wunderbar in die Landschaft integriert ist, dass man im gemütlichen Tiefflug in Unterjoch ist und ganz berauscht weiter Richtung Wertach fährt.
Natürlich stoppe ich oben an der Kanzel, genieße den Wahnsinnsausblick auf die Berggipfel, auf Bad Hindelang, beobachte Kletterer im Ostrachtaler Klettersteig und klettere selbst wieder auf mein Bike.
Märchenschlösser am Wegesrand
Weiter Richtung Ostallgäu, auf in die königliche Spur. Ich parke natürlich im Schatten von Schloß Neuschwanstein, ein einsame Birke läßt ihre gelbbeblätterten Zweige gegen den böigen Fön kämpfen, es zauselt und nebenan macht ein Brautpaar Hochzeitsfotos vorm Schloß, das weiße Kleid flattert, Mitleid mit der Braut, die Fotografin dürfte tolle Motive haben. Alle paar Meter werden Selfies geschossen, wer es mag, kann ab dem großen Parkplatz auch direkt per Kutsche zum Märchenschloß fahren. König Ludwig II. läßt grüßen und mich auf König Maximilians II. Tour weiterfahren.
Seen entlang der Alpenstraße
Die Schlösser und Gebirgsgipfel im Rücken geht es Richtung Berchtesgaden. Es wird wolkiger, die Sonne verschwindet ab und zu, aber vor allem bläst der Wind inzwischen ganz schön stark, Böen versetzen die Enfield auf der B17, die baumbestanden schnurstracks auf den Forggensee zuläuft. Ja, es sind auch die vielen Seen entlang der Alpenstraße, die immer wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Oft spiegelglatt, mit sanften Wellen manchmal, momentan eingebettet in ein waldiges Farbenmeer aus Herbstlaub. Bodensee, Alpsee, Forggensee, Schliersee, Tegernsee, Chiemsee, Königssee und so weiter und so weiter, da sind die vielen, vielen kleinen Gewässer noch gar nicht dabei, von den Flüssen oder der ein oder anderen Klamm, wie beispielsweise der Partnachklamm (bei Garmisch-Partenkirchen) ganz zu schweigen.
Deutschlands höchster Berg
Die Zugspitze mit ihren 2.962 Metern Höhe liegt vor mir, Deutschlands höchster Berg, Garmisch-Partenkirchen mit seiner weltbekannten Sprungschanze, ich bin im Zugspitzland, in Oberbayern. Auch ohne die berühmten Passionsspiele ist Oberammergau eine Besuch wert (die finden nur alle zehn Jahre statt, das nächste Mal im Jahr 2030). Die sogenannten „Lüftlmalerei“ an den Fassaden, die vielen religiösen Schnitzereien, das ist typisch bayerische Tradition und Kultur.
Fahrerlebnis zwischen Walchen- und Kochelsee
Mein nächstes fahrerisches Highlight: die Kesselbergstraße runter vom Walchen- zum Kochelsee. Durchatmen, Pause und Genießen, gemütlich weiter zum Schliersee, nochmal durchatmen, Pause, genießen, die Kirchturmuhr schlägt zur vollen Stunde, es wird langsam dämmrig. Ich sitze auf einer Bank am Ufer und genieße die Aussicht, ein paar Enten üben sich im Schaupaddeln, leichter Wellenschlag, Spaziergänger an der Promenade, Laub, die Glocken, die Dämmerung.
Früher Einbruch der Dunkelheit
Erst jetzt dämmert mir mein kleines Dilemma, es ist Herbst und wieder einmal habe ich den frühen Einbruch der Dunkelheit nicht bedacht. Und es gibt noch einiges zu tun heute und ich höre den Tatzelwurm schon raunen aus dem dunklen Wald, „komm nur her, komm nur, trau dich, besuche mich.“
Ok, mache ich, ich sattle wieder auf und fahre los, ins Halbdunkel des Tatzelwurmlandes, Richtung Sudelfeldpass, der ja wohl nicht nur schön zu fahren ist, sondern auch einige hübsche Aussichten haben soll, allein, ich sehe nicht mehr viel außer der Straße, ja, mein Zeitmanagement ist halt nicht das beste, ich fahre schon im Halbdunkel in den Pass rein, schwinge der Himalayan eher gemütlich durch die Kurven und Kehren und finde mich im Stockdunkeln dann tatsächlich auf der Tatzelwurmstraße wieder, biege links in die Privatstraße ein (Maut 2 Euro/Motorrad), rechts wäre es offiziell auf der Alpenstraße weitergegangen.
Gruselige Dunkelheit im Tatzelwurm Land
Die Straße führt durch den Wald, wird immer enger, durchquert einen gewölbeartigen, von Hand geschlagenen Tunnel, geht auf und ab, die dichten Blätter lassen nur manchmal das Licht des Vollmondes hinter den Baumkronen erahnen. Der Tatzelwurm ist ein Fabelwesen, oder? Diesen kleinen Halbdrachen gibt es nicht in echt, hoffe ich, obwohl er ja immer wieder mal gesichtet wurde, angeblich, und hier, ganz in der Nähe soll er bei Oberaudorf in einer Gumpe des Tatzelwurm-Wasserfalls hausen. Angeblich wird Sand zu Glas, wenn das Fabeltier hindurch kriecht, so heiß ist es, so giftig, so menschenfressend.
Brummelnder Einzylinder
Es gruselt mich im dunklen Wald und nur das entspannte Brummeln des Einzylinders beruhigt auf den letzten paar hundert Metern zur Mautschranke. Zwei Euro kostet der Spaß, eine herzliche Begrüßung und Plauderei mit der netten Dame am Kassenhäuschen im stockdunklen Wald eingeschlossen. Übernachtung in Flintsbach am Inn, der Vollmond steht in vollem Firmament über dem St. Martin Pfarrkirche am Kirchplatz, wacht über die Himalayan, die Sterne funkeln am Himmel über der Burgruine Falkenstein.
Letzte Etappe Richtung Königssee
Die letzte Etappe auf der Deutschen Alpenstraße steht an, es geht durch die Region „Chiemsee-Alpenland“ ins Berchtesgadener Land und dann zum Abschluss an den Königssee. Aschau im Chiemgau liegt auf dem Weg, eine tolle Wandergegend mit insgesamt 300 Kilometern an Wanderwegen, das Dorf liegt idyllisch am Fusse der Kampenwand, fast noch schöner ist das Bergsteigerdorf Sachrang, ein Bilderbuch-Dorf, Idylle pur. Übrigens, in Aschau i. Chiemgau und Sachrang gibt es über 470 Sitzbänke, 200 davon zu diversen Themen, damit gibt es hier wohl laut Deutschen Rekord-Institut die größte Sitzbank-Dichte pro Quadratmeter an einem Ort – Weltrekord.
Ich lümmele mich heute lieber in die Sitzbank meines Motorrads und fahre weiter Richtung Chiemsee. Trotz des noch immer zumindest teilweise sonnigen Wetters ist es für Baden definitiv zu spät, den eigentlich obligatorischen Besuch der Herreninsel spare ich mir diesmal aus Zeitgründen (ok, da war ich vor Jahren auch schon mal) und fahre weiter, die Strecke führt durch Wälder und Wiesen des Chiemgau, die Bäume sind gefühlt noch bunter, besonders hübsch auf dem Maserer Pass, die Straßen gut ausgebaut.
Überall oberbayerische Tradition
Ich nähere mich der österreichischen Grenze, Reit im Winkel liegt vor mir. Die Himalayan tuckert durch den Ortskern, typisch oberbayerische Tradition überall, die hölzernen Balkone sind auch jetzt im Herbst noch mit Blumen bestückt, rustikales Holz, die alte Kirche. Ganz in der Nähe ist die Winklmoos-Alm, auf einem Hochplateau in rund 1.170 Metern Höhe. Hier ist die Welt noch in Ordnung, ein Almgebiet wie aus den Bilderbuch, Almleben wie zu alten Zeiten. Kühe, Pferde, Brotzeit.
Steile Felsen am Königssee zum Abschluss
Endspurt! Es geht zum Königssee. Berchtesgaden ist absolut eine Stop wert, auch vorher schon das Bergsteigerdorf Ramsau mit seiner berühmten Pfarrkirche St. Sebastian. Am Königssee ist Schluß für heute und für meine Tour entlang der Deutschen Alpenstraße, ich parke meine Royal Enfield auf dem Parkplatz und gehe zu Fuß zum See. Vor hier geht’s nur per Boot weiter, oder per pedes. Der von steilen Felsen eingefasste Königssee ist schwer zugänglich, nicht über normale Straßen erreichbar.
Fantastische Aussicht vom „Malerwinkl“
Ich gehe den Berg am Nordufer rauf, lasse die hölzernen Bootshütten hinter mir, es gibt diverse Wanderrouten, nach gut 15 Minuten bin ich am „Malerwinkl“ mit einer fantastischen Aussicht auf den See bis hin zur Schönfeldspitze, und das wie passend, eingerahmt vom bunten Herbstwald. Es zieht zu, der Fön hat seine Arbeit gut gemacht, aber jetzt ist wohl sehr bald wieder sehr grauer Herbst angesagt, meine Royal Enfield Himalayan und ich treten die Heimreise an und sortieren im Geiste die unendlich vielen Eindrücke der Deutschen Alpenstraße, einem absoluten Highlight unter den europäischen Zielen für Roadtrips.
Weitere Informationen zusammengefasst:
Gesamtkilometer: 484 Kilometer, die Route ist in beide Richtungen sehr gut ausgeschildert, die Strecke führt von West nach Ost über die Strassen B308, B310, B309, B310, B17, B23, B2, B472, B13, B307, B175, B305, B20
Streckenabschnitte von West nach Ost und ausgewählte Infos:
Lindau – Oberreute 34 Kilometer
Highlight: Schifffahrt auf dem Bodensee, Bummeln in Lindau
Oberreute – Nesselwang 61 Kilometer
Highlight: Oberjoch Pass mit 106 Kurven und Aussichtskanzel auf der Passhöhe
Nesselwang – Halblech 42 Kilometer
Highlight: Schloß Neuschwanstein (Füssen)
Halblech – Wallgau 71 Kilometer
Highlights: Zugspitze, Oberammergau, Berchtesgaden
Wallgau – Lenggries 72 Kilometer
Highlights: Die Kesselbergstraße zum Kochelsee, 9 Kilometer schönsten Fahren mit 14 Kehren, Kloster Benediktbeuern
Lenggries – Bayrischzell 58 Kilometer
Highlights: Tegernsee, Schliersee, Sudelfeldpass, Tatzelwurm
Bayrischzell – Bernau (Chiemsee) 57 Kilometer
Highlight: Chiemsee mit der Herreninsel und dem Schloß Herrenchiemsee von König Ludwig II.
Bernau – Inzell 53 Kilometer
Highlight: Reit im Winkl mit der Moos Alm
Inzell – Schönau (Königsee) 36 Kilometer
Highlights: Pfarrkirche Sankt Sebastian im Bergsteigerdorf Ramsau, Königssee mit Bootstour entlang der steilen Felsen zum Wallfahrtskirche St. Bartholomä
Nützliche Internetadressen:
Lindau am Bodensee: www.lindau.de
Schloss Neuschwanstein: www.neuschwanstein.de
Garmisch-Partenkirchen: www.gapa.de
Zugspitze: www.zugspitze.de
Tegernsee: www.tegernsee.com
Chiemsee: www.bayern.by/reiseziele/chiemsee/
Nationalpark Berchtesgaden: www.nationalpark-berchtesgaden.bayern.de
Königssee: www.koenigssee.com
Deutsche Alpenstraße: www.deutsche-alpenstrasse.de/de/startseite
Die offizielle Webseite der Deutschen Alpenstraße bietet detaillierte Informationen über die Strecke, Sehenswürdigkeiten, Unterkünfte, u.a.
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