Von Oliver Abraham
Berchtesgaden/Ramsau. Der Schnee kam über Nacht. Und oberhalb der Tausend-Meter-Marke blieb er liegen. Viel Schnee also in den Bayerischen Alpen in und um den Nationalpark Berchtesgaden.
Perfekte Winterkombi: Watzmann und Schneeschuhe
Nördlich von Ramsau trifft der Bergführer Hubert Nagl seine Gäste. Zu Fuß geht es heute nur mit Schneeschuhen voran – über die Almen, in den Wald und in die Berge.
„Schneeschuhwandern ist das Fortbewegungsmittel für Wanderer im Winter schlechthin, man ist damit nicht auf geräumte Wege angewiesen und erlebt die verschneite Winterlandschaft intensiv – ein einzigartiges Erlebnis!“
Hubert Nagl
Wolken-Gardinen umwehen den Watzmann
Blickt man nach Süden, so sieht man die Bergikone Watzmann umweht von Gardinen aus Wolken und Schneeschauern.Hier aber ist es ruhig und friedlich, hier ist ideales Winterwanderwetter. Wer keine Schneeschuhe hat, bekommt sie (und die Gehstöcke) für die Dauer der Tour von ihm, dem Leiter der Bergschule Watzmann, geliehen.
„Schneeschuhwandern ist kinderleicht und ebenso einfach zu erlernen.“
„Wer wandern kann, der kann auch mit Schneeschuhen gehen“, sagt Hubert, „die Voraussetzungen sind winterfeste Kleidung und für unsere heutige Tour eine Kondition für gute drei Stunden Gehzeit.“
Erste Schritte im tiefen Schnee
Wir schnallen uns die Schneeschuhe unter, üben erste Schritte in tiefem Schnee. Nur so, mit der breiten Auflagefläche unter den Füßen, sinkt man nicht ein, kommt gut vorwärts. Schnell ist das Ettlerlehen erreicht, eine kleine und schmucke Ansammlung von Chalets, Pension und Heuschobern.
Naturschonende Schneeschuhwanderungen
Im Gänsemarsch geht es dann, Hubert vorneweg, über eine Alm, durch und über – so scheint es – bodenlosen Schnee. Derjenige, der vorne geht, hat es am schwersten, je weiter man hinten in der Gruppe geht, desto einfacher sind die eigenen Schritte in den dann festgetretenen Spuren. Man wird sich kameradschaftlich abwechseln.
„Unsere Schneeschuhwanderungen sind naturschonend und umweltfreundlich, wir bewegen uns auf der Schneedecke über der zugeschneiten Vegetation und respektieren die Wildtiere und ihre Schutzgebiete.“
Tiere im Winter aufzuscheuchen bringt diese in Gefahr, da die Flucht wertvolle Energiereserven kostet. Versierte und ortskundige Wanderführer wissen um die Begebenheiten, auch das ist ein guter Grund, sich ihnen anzuschließen.
Vögel suchen nach Futter
Hubert weiß um das, was hier lebt, und er wird es seinen Gästen zeigen, wenn mit etwas Glück, Tiere auftauchen und zu sehen sind – Schwarzmeisen und Alpendohlen zum Beispiel, oder der Tannenhäher. Angeknabberte Zapfen zeigen an, dass Vögel nach Futter gesucht haben.
„Und wer weiß, vielleicht sehen wir Steinadler am Himmel kreisen. Ausgeschlossen ist es nicht.“
Auch das macht Schneeschuhwandern aus: die Zeit und die Muße zum Schauen und Entdecken zu haben, weiter zu kommen als normal zu Fuß und langsamer, flexibler, als auf Skiern die winterliche Natur erkunden zu können.
Äste vollbeladen mit Schnee
Bevor wir die offene Fläche verlassen, uns durch hohe Schneeverwehungen mühen, der Weg westwärts in den Wald und bald auf den Hang hinauf führt – noch ein Blick zurück nach Süden: Wo um die Gipfel von Watzmann und den anderen mächtigen Bergen dunkle Wolken wehen. Hier stehen Tannen und Fichten, sowie einzelne, alte Laubbäume wie Buche oder Ahorn. Die Äste sind vollbeladen mit Schnee, in ungestörter Ruhe und bilderbuchschön. Windstöße schubsen ab und zu den Schnee von den Bäumen und verwehen ihn zwischen den Stämmen.
Bisweilen sind die Etappen anstrengend, dann, wenn es bergan geht. Verschnaufen und durchatmen, schauen. Spuren sind zu sehen – und von welchem Tier mögen sie stammen? „Vielleicht vom Rotwild“, sagt Hubert, „hier leben auch Hirsche.“
Freiheit im tiefen Schnee
Das Gehen, der Rhythmus, hat sich längst eingespielt auf diesen Wegen in die Einsamkeit. Hier ist sonst niemand mehr unterwegs. Nur Natur ist hier und viel Schnee. Frei zu sein und unterwegs, ohne, dass jemand im Weg steht – auch das erfrischt Körper und Geist.
Knisterdürres Laub mit weißen Hauben
Frisch gefallener Schnee schluckt den Schall, deshalb ist es hier seltsam still. Wieder fällt Schnee von den Ästen und man meint, es leise rauschen oder rascheln zu hören, wieder Schneestaubfahnen zwischen fahlen Stämmen. Kleine Buchen sind komplett vom Schnee bedeckt, tragen weiße Hauben auf knisterdürrem Laub.
Strecken von Irgendwo nach Nirgendwo
Wegweiser zeigen Strecken an, die scheinbar von Irgendwo nach Nirgendwo führen weil die Wege vom Schnee zugeweht sind und nicht mehr sichtbar. Andere Schilder zeigen nichts mehr an, denn das Holz ist grau und verwittert. Auch das ist reizvoll; ein Sich-Verlieren-Lassen (freilich mit Führung vorneweg), unterwegs sein abhängig nur vom eigenen Willen und Können, ein Verlassen auf sich selbst.
Jetzt geht nur noch der Bergführer an der Spitze
Waren es anfangs breitere Wege, so ist der Pfad nun eng und er windet sich immer steiler hinauf. Um umgestürzte Bäume herum, entlang freiliegendem Fels und mannshohen Schneewechten, unter Ästen hindurch und – so scheint es – auch über Bäche, die vom Schnee bedeckt kaum zu erkennen sind. Hubert weiß um die Strecke und nur er geht jetzt an der Spitze der kleinen Gruppe.
„Schneeschuhwandern ist eine Natursportart“, meint er während einer Verschnaufpause, „und hängt deshalb von den Schneeverhältnissen und natürlich von der Lawinengefahr ab. Manch Streckenplan ist daher anfangs oft nur ein roter Faden, der uns durch die Winterlandschaft führen soll.“
Unterwegs in den Bergen der Welt
Er führt Gäste auch auf den Kilimandscharo und nach Kamtschatka, ist mit ihnen unterwegs auf Grönland und im Himalaya. „Mit Menschen in den Bergen unterwegs zu sein, ist meine Leidenschaft – seien es die Berge der Welt oder die daheim im Berchtesgadener Land.“ Schritt für Schritt arbeitet man sich vorwärts, aufwärts, die Bäume bleiben zurück, es öffnet sich ein Panorama auf das Hochgebirge im Süden.
Vorsichtige Schritte auf dem Weg zum Grat
Hier sind es Hohlwege durch ein Wintermärchen am Schmuckenstein, die Sonne kommt durch, kurze, vorsichtige Schritte auf dem Weg zum Grat. Die Fichten und Tannen, Buchen und Ahorne sind hier oben knorrig und vom ewigen Wind verbogen, der Schnee zu bizarren Formationen verweht und gefräßt.
Dann kommt, tief im Schnee verborgen, eine Hütte in Sicht, sie ist das Ziel und der Punkt zur Umkehr. Dies ist der Ort der Rast und des Innehaltens, die Hütte im Schnee ist schön, wie gemalt. Ein Hirschgeweih hängt über der Tür (wir treten nicht ein) und eine Sturmlaterne wippt im Wind.
Der Tee aus der Thermoskanne dampft und der Blick reicht über die Staffeln der Gipfel im Süden. Weit weg vom Rest der Welt. „Wandern im Winter“, sagt Hubert, der die Berge Afrikas, Asiens und der Arktis kennt und ebenfalls in die Ferne blickt, „das ist immer wieder ein anderes Erleben: das Wetter, die Eindrücke. Und diese Winterlandschaft hier bei uns daheim im Berchtesgadener Land – die ist schon ein Traum!“
Informationen:
– Bergschule Watzmann, Hubert Nagl www.bergschule-watzmann.de
– schöne Chalets nahe dem Ort Ramsau, zum Beispiel www.ettlerlehen.de
– Hotelempfehlung Berchtesgaden, zum Beispiel „AlpinaRos“ www.alpina-hotels.de/demming
– Information zum Urlaubsziel Berchtesgaden www.berchtesgaden.de
Diese Reise wurde unterstützt vom Zweckverband Bergerlebnis Berchtesgaden
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