Von Oliver Abraham

Krimml/Land Salzburg (Österreich). Der Bulli schnurrt durch den Schnee hier im Nationalpark Hohe Tauern. Diese Tour auf der sich immer höher hinauf windenden Bergstraße ist die Anfahrt dorthin, wo richtig Winter ist – mit viel Schnee und knackig kalt. Bilderbuchschön, Komfortzone. Diese Fahrt ist auch eine Reise durch Raum und Zeit.  In ein abgeschiedenes Tal, raus aus dem Alltag.

Der „Husky“ wartet in der Winterlandschaft im Nationalpark Hohe Tauern. Foto: Oliver Abraham
Der „Husky“ wartet in der Winterlandschaft im Nationalpark Hohe Tauern. Foto: Oliver Abraham

Im Kettenfahrzeug durch den Winter

Das eigene Auto bleibt unten auf dem Parkplatz im Tal stehen, Ziel ist das Krimmler Tauernhaus. Ein Ort der Aufgehobenheit, ein Hotel mit sechshundertjähriger Geschichte. Der Transporter also schnurrt durch den Schnee, und langsam verblasst der Alltag. Unbeschwerter fühlt es sich an, leichter schon.

Winterlandschaft im Nationalpark Hohe Tauern, nur noch mit dem Kettenfahrzeug "Husky" geht es weiter. Foto: Oliver Abraham
Winterlandschaft im Nationalpark Hohe Tauern, nur noch mit dem Kettenfahrzeug „Husky“ geht es weiter. Foto: Oliver Abraham

Nur stellt sich dem Gast vielleicht die Frage, ob normale Fahrzeuge diese Strecke – es sind noch einige Kilometer bis zum Ziel, es sind noch längst nicht alle Höhenmeter bewältigt – schaffen wird. Die Kehren werden enger, die Straße wird steiler und dann führt sie in einem Tunnel, am Fels hängen mächtige Eiszapfen. Und als der Bulli den Tunnel, eng, einspurig und ein wenig spooky mit den über den Fels huschenden Lichtern der Scheinwerfer, wieder verlässt, ist diese Fahrt tatsächlich zu Ende.

Nach der Tunneldurchfahrt ist Schluß für den Bulli, ab jetzt geht es nur noch mit dem Pistentaxi weiter. Foto: Oliver Abraham
Nach der Tunneldurchfahrt geht es nur noch auf Ketten weiter. Foto: Oliver Abraham

Nur im Pistentaxi geht es weiter durch den Schnee

Normale Fahrzeuge, seien sie noch so stark und stabil, werden den weiteren Weg nicht schaffen – es liegt sehr viel Schnee und ein Ende ist nicht Sicht. Nicht vom Schneefall, nicht vom Weg. Hier wartet ein Gefährt, ein „Pistentaxi“, mit dem man wohl auch zum Südpol fahren könnte. Gastgeber Friedl Geisler übernimmt die Gäste von Vater Adolf. Das Gepäck kommt in einen Kasten an der Front des Fahrzeugs, „Husky“ heißt das Modell und es fährt auf Ketten.

Nach der Tunneldurchfahrt ist Schluß für den Bulli, ab jetzt geht es nur noch mit dem Pistentaxi weiter. Foto: Oliver Abraham
Nach der Tunneldurchfahrt ist Schluß für den Bulli, ab jetzt geht es nur noch mit dem Pistentaxi weiter. Foto: Oliver Abraham

Das Fahrzeug ruckt über die Schneewehen und fährt in einem ruhigen Rhythmus. Das Licht der Scheinwerfer greift in beständig und satt fallenden Schnee, Wind wirbelt ihn auf, Schneeverwehungen auf dem Weg. Links steigen die Tauern an und rechts fließt die Krimmler Ache, dazwischen liegt der einspurige Weg, auf den Friedl Geisler konzentriert blickt. Falls ein „Weg“ zu erkennen ist.

Das Ziel ist das Krimmler Tauernhaus, im Winter ist es nur mit dem Pistentaxi zu erreichen. Foto: Oliver Abraham
Das Ziel ist das Krimmler Tauernhaus, im Winter ist es nur mit dem Pistentaxi zu erreichen. Foto: Oliver Abraham

Distanzen wirken aufgehoben

Die Fahrerkabine könnte auch das Cockpit eines Raumfahrzeuges sein, ein schönes Gefühl, weit weg zu sein vom Rest der Welt kommt auf. Das monotone Brummen und die Wärme im Fahrzeug machen schläfrig, Distanzen und Dimensionen wirken wie aufgehoben. Es ist eine vollkommene und schöne Einsamkeit.

Erleben ungestörter Bergnatur

Diese Fahrt ist auch eine Verwandlung, ein langsamer Übertritt von Hektik und Stress hin zu Ruhe und Entschleunigung. So gemächlich, dass die Seele mitkommt auf dieser Reise. Klar im Kopf werden, und sich konzentrieren auf Weniger und Wesentliches. Rausfahren um runterzukommen. Je weniger Input, desto geschärfter sind die Sinne. Zum Erleben reiner, winterlicher, ungestörter Bergnatur, zum Genuss von Küche und Dasein im Hotel. Es ist ein angenehmes Unterwegssein, auch in der Gewissheit rundum versorgt zu werden.

Winterlandschaft im Nationalpark Hohe Tauern. Foto: Oliver Abraham
Winterlandschaft im Nationalpark Hohe Tauern. Foto: Oliver Abraham

Landschaft auf das Rohe reduziert

Friedl  Geisler hält an, der Gast kann sich umschauen, kann durchatmen. An den Felsen klemmen gefrorene Wasserfälle, letzte Bäume stehen auf den Berghängen, die Landschaft ist auf das Rohe reduziert.  Obschon diese Bilder bisweilen düster und dramatisch sind, wirkt dieses Tal dennoch beruhigend, es sind Eindrücke absoluter Stille. Es ist die Schöpplalm, gelegen auf halber Strecke, dahinter stehen die ersten 3000er.

Die Schöpplalm, gelegen auf halber Strecke Richtung Krimmler Tauernhaus. Foto: Oliver Abraham
Die Schöpplalm, gelegen auf halber Strecke Richtung Krimmler Tauernhaus. Foto: Oliver Abraham

Bauer, Hotelier und Koch in einer Person

Friedl Geisler ist Bauer, Hotelier, Koch. Er holt die Gäste mit dem „Husky“ ab und geht vorher noch melken. Manchmal buttern, manchmal tischlern. Gemeinsam mit Ehefrau Gundi bewirtschaftet er das Krimmler Tauernhaus, zusammen mit Sohn Simon und Schwiegertochter Veronika, mit Tochter Michaela.

Die Schöpplalm liegt auf 1600 Metern. Foto: Oliver Abraham
Die Schöpplalm liegt auf 1600 Metern. Foto: Oliver Abraham

Winterruhe im Tal

Das Tal weitet sich, die Schöpplalm liegt auf 1.600 Meter, hier weidet im Frühjahr und Sommer Vieh, hier wird Heu gemacht, jetzt sind Wohn- und Wirtschaftsgebäude verlassen und halb im Schnee versunken, sind die Glocken der kleinen Kapelle längst verklungen. Winterruhe. Zäune sind kaum noch zu erkennen, den Weg zeigen meterhohe Markierungsstangen an. Irgendwo unter dem Schnee fließt der Bach, lauern Abgründe und überall kommt auch der „Husky“ nicht durch.

Winterlandschaft im Nationalpark Hohe Tauern, mit dem Kettenfahrzeug geht es weiter. Foto: Oliver Abraham
Winterlandschaft im Nationalpark Hohe Tauern, mit dem Kettenfahrzeug geht es weiter. Foto: Oliver Abraham

Der Husky ruckelt und kriecht

Friedl Geisler nimmt Anfahrt auf einen Anstieg. Der Wischer quietscht über die Frontscheibe, die Rückspiegel dieses eckigen Kastenwagens sind groß wie bei einem Reisebus, aber darin wird Friedl Geisler auch nur Schnee sehen. Inzwischen ruckelt und kriecht das Kettenfahrzeug im Schritttempo über hüfthohe Schneeverwehungen, der Fahrer ist entspannt. Und er ist konzentriert; nur nicht vom Weg abkommen, das darf nicht passieren. Die Zäune, man sieht sie für einen Augenblick aus dem Schnee ragen, führen jetzt den Weg.

Das Pistentaxi ist ein Kettenfahrzeug. Foto: Oliver Abraham
Das Pistentaxi ist ein Kettenfahrzeug. Foto: Oliver Abraham

Der „Husky“ wird mittels  Öldruck und jeweils unterschiedlichem Schub auf den Ketten sowie mit einem Halblenkrad gesteuert. Ein sehr vorsichtiges Vorwärtskommen, mehr ein Tasten. Und der Schnee fliegt vorbei.

Aus den Fenstern fließt warmes Licht

Ankommen am Krimmler Tauernhaus, das helle, honigfarbene  Holz der Fassade leuchtet im Grau dieses Wintervormittags und um die Kapelle wirbelt der Schnee, man wird die Glocken schlagen hören. Aus den Fenstern des Hotels fließt warmes Licht. Hier und heute ist das Krimmler Tauernhaus nur mit dem Kettenfahrzeug (oder dem schnellen Schneemobil) zu erreichen, zu Fuß ginge es vielleicht auch noch.

Gelebte Nachhaltigkeit

Es ist eine angenehme Abgeschiedenheit und schön, sich behütet zu wissen. Seit 600 Jahren steht hier ein gastliches Haus. Heute natürlich modern mit eigenem Wasserkraftwerk zum Beispiel, komfortabel. Mit Milchprodukten und Fleisch aus eigener Almwirtschaft. Nachhaltigkeit ist hier kein Modewort, sondern gute, gelebte Praxis seit mehr als einem halben Jahrtausend. Es ging nie anders hier oben und es ist eine Selbstverständlichkeit, mit dem zu leben und nur das zu nutzen, was man hat und was die Natur hergibt.

In der guten Stube im Krimmer Tauernhaus. Foto: Oliver Abraham
In der guten Stube im Krimmler Tauernhaus. Foto: Oliver Abraham

Die Zimmer sind in alpenländischem Stil stimmig eingerichtet, eher schlicht und nicht überladen; modern mit hellem Holz und in warmen Tönen, mit Wohlfühlfaktor auch beim Blick aus dem Fenster auf Berge, Schnee und Kälte. Es riecht gut nach dem Holz, und später zeigt Friedl Geisler seine Tischlerei, hier verarbeitet er auch das Holz der Zirbelkiefer, das der Arve also. Hof und Hotel sind eine Einheit und ziemlich autark.

Es riecht gut, nach Heu und Tieren

Friedl Geisler führt in den Stall; es ist warm, der Geruch weich und duftig, man hört die Kühe leise kauen, es riecht gut – nach Heu und Tieren, nach einer Ahnung von Milch. Hier wird gebuttert und gekäst. Dann zeigt Friedl Geisler den Räucherofen, Wurst und Fleischwaren werden auch hergestellt, er zeigt sechs Wochen lang luftgetrocknetes und zuvor in Rotwein eingelegtes Rindfleisch.

Gastgeber Friedl Geisler zeigt Räucherwaren.  Foto: Oliver Abraham
Gastgeber Friedl Geisler zeigt Räucherwaren. Foto: Oliver Abraham

„Unsere Kühe, das Tiroler Grauvieh, ist das ganze Jahr hier oben“, sagt er, „es ist eine robuste Rinderrasse, genügsam und geländegängig, angepasst für eine schonende Bewirtschaftung der Hochweiden auf unserer Alm.“

Gastgeber Friedl Geisler im Stall.  Foto: Oliver Abraham
Gastgeber Friedl Geisler im Stall. Foto: Oliver Abraham
Geschmorter Ochse zum Hauptgang

Und das kann ein Menü im Krimmler Tauernhaus sein: zum Start eine Grießnockerlsuppe, dann ein geschmortes Stück vom Alm-Ochsen in Rotweinsauce mit Hausmachernudeln und Apfelkren, zum Abschluss Topfenstrudel mit Schlag.

„Unsere Landwirtschaft ist die höchstgelegene ganzjährig betriebene im Nationalpark Hohe Tauern“, sagt Friedl Geisler, „mit der Haltung von unserem Tiroler Grauvieh wollen wir eine besondere Fleischqualität erzielen – Kräuter und Wiesenheu sorgen für die Feinfaserigkeit und den guten Geschmack des Rindfleisches. In der Küche verwenden wir überwiegend Produkte vom eigenen Hof – beispielsweise Butter, Käse, Joghurt, Rindfleisch und Speck. Wild, wie zum Beispiel Gams, stammt aus eigener Jagd.“

Da Landwirtschaft hier bereits seit Jahrhunderten, also vor Ausrufung zum Nationalpark, betrieben wurde, dürfen Almbauern wie Geislers das auch – unter Berücksichtigung bestimmter Parameter wie zum Beispiel Verzicht auf Düngung oder den Einsatz standortangepasster Rassen – weiterhin tun. Eine schonende Almwirtschaft fördert die Artenvielfalt, beispielsweise wegen der Offenhaltung der Landschaft durch den Verbiss durch die Tiere.

In der guten Stube im Krimmer Tauernhaus. Foto: Oliver Abraham
In der guten Stube im Krimmler Tauernhaus. Foto: Oliver Abraham
Die älteste Wirtsstube im Pinzgau

Zwischen den Gebäuden wirbelt der Schnee, schnell rüber vom warmen Stall in die warme Stube. Schneeschuhe stehen aufgereiht an der Tür, alle Gäste sind wieder zurück. Draußen ist die Welt wie in Watte gepackt, das Licht ist blau und wirkt kalt. Drinnen ist es gemütlich, wärmend auch deshalb. Hinter der schweren Holztür befindet sich die „Alte Stube“, sie ist der Mittelpunkt des Hauses und die wohl älteste Wirtsstube im Pinzgau.

Fußbodendielen knarren, die Stube ist niedrig. Ursprünglich und original, man sieht vertäfelte Wände mit Fresken ladinischer Wandmaler aus dem 19. Jahrhundert,  blickt aus dem Fenster ins Tal und auf die Berge, sitzt unter dunklen Balken und am warmen  Ofen. Es ist behaglich, nicht erdrückend. Und was machen die Gäste? Sie spielen gemeinsam Karten, lesen, besprechen die Touren für den nächsten Tag. Draußen fallen die Flocken, ein richtiger Winter.

Der Winter hat den Nationalpark Hohe Tauern fest im Griff. Foto: Oliver Abraham
Der Winter hat den Nationalpark Hohe Tauern fest im Griff. Foto: Oliver Abraham

Informationen:

Krimmler Tauernhaus, Familie Geisler: www.krimmler-tauernhaus.at 

Zur Ferienregion Nationalpark Hohe Tauern: www.nationalpark.at

Zum Ort Krimml: www.krimml.at 

Übernachtungsempfehlung in Krimml, zum Beispiel: www.hotel-krimml.at  

Zum Reiseland Österreich: www.austria.info

Diese Reise wurde unterstützt von „Österreich Werbung“ und „Nationalpark-Region Hohe Tauern“

Alle Angaben ohne Gewähr. Dieser Bericht stellt keine Wertung untereinander und / oder gegenüber anderen Unternehmen, Personen, Waren oder Dienstleistungen o.Ä. dar und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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