Von Oliver Abraham

Siem Reap, Tempelstadt Koh Ker, Kambodscha. Die kleine Srei verkauft Kralan am Straßenrand. Einen Imbiss aus Reis und Bohnen und Gewürzen, gekocht mit Kokosmilch, im Bambusrohr über offenem Feuer. Die Piste führt in den Norden von Kambodscha und Regen fällt mit tropischer Heftigkeit. Die Reisfelder sind geflutet, und eine vom Wasser fortgerissene Brücke zwingt zu einem Umweg. Doch was heißt das schon in einem Land, das in der Provinz wie aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Kokospalmen stehen im Reisfeld, Zuckerpalmen, Bambus und Bananen wachsen hier, Mango- und Tamarindenbäume.

Unterwegs in eine andere Welt – der Weg nach Koh Ker

Männer mit Ochsenkarren gehören zum normalen Bild auf Kambodschas Pisten. Foto: Oliver Abraham
Männer mit Ochsenkarren gehören zum normalen Bild auf Kambodschas Pisten. Foto: Oliver Abraham

Koh Ker ist unbekannter als das berühmte Angkor Wat

Männer mit Ochsenkarren mühen sich über die Piste, Frau Vany angelt Fische und der junge Peak fängt Frösche, eine Eisverkäuferin fährt auf dem Moped vorbei. Die Straße führt durch kleine Orte mit Kramläden samt dazugehörigen Bierbuden. Chan und sein Fahrer sind auf dem Weg zu einer verborgenen, geheimnisvollen Tempelstadt im Dschungel – wir fahren nach Koh Ker. Nicht so groß wie das berühmte Angkor Wat – wo wir heute am frühen Morgen im Ort Siem Reap aufgebrochen sind – und noch längst nicht so voller Touristen. Drei Autostunden von Siem Reap entfernt nur und doch sind wir unterwegs in eine andere Welt.

Ein freundliches Lächeln am Wegesrand in Kambodscha. Foto: Oliver Abraham
Ein freundliches Lächeln am Wegesrand in Kambodscha. Foto: Oliver Abraham

Ein Gefühl wie Indianer Jones

Überwucherte Ruinen in einer riesigen Anlage, halb Heiligtum war sie einst und halb Stadt. Ist man darin unterwegs, fühlt man sich schnell wie Indianer-Jones, wenngleich mit Führer und auf sicherem Weg, das dann doch, bei allem Entdeckergeist. Die Straße führt aus der Ebene in ein Hügelland, der Regen lässt nach. Reisfelder weichen Gummibaumplantagen, Mais und Maniok wird angebaut, Straße Nummer 64 führt vorbei an Feldern und Rodungen. Einzelne, riesige Teakbäume stehen in der Weite.

Auf dem Weg nach Koh Ker. Foto: Oliver Abraham
Auf dem Weg nach Koh Ker, Ochsenkarren. Foto: Oliver Abraham

Schwüle Stille, manchmal Schreie der Vögel

Dort, wo die Landminen geräumt sind, finden Menschen wieder ein Auskommen, auch in dieser Abgeschiedenheit. Reich ist dieses Land von Natur aus. Nun führt die Straße in den Wald, zunächst noch locker bestanden, bald aber ein zunehmend dichter werdender Dschungel. Schwüle Stille, unterbrochen nur vom Schreien der Vögel und Kreischen der Affen. Wir gehen auf genehmigten Pfaden, und gut ist es, versierten Führern wie Chan zu folgen. Im Schatten der Teakbäume stehen Türme aus Ziegelsteinen. Es ist das Heiligtum Prasat Pram, eines von vielen in dieser einst heiligen Stadt. Chan kennt die sicheren Wege.

Ein geheimnisvoller Ort mit morbidem Charme: Koh Ker in Kambodscha. Foto: Oliver Abraham
Ein geheimnisvoller Ort mit morbidem Charme: Koh Ker in Kambodscha. Foto: Oliver Abraham

Auch Tempelräuber waren hier längst auf Beutezug

Die Wurzeln von Würgfeigen haben sich in die tausend Jahre alten Mauern gegraben, sie an einigen Stellen auseinander gerissen, Portale sind zerbrochen. Manche Anlagen wurden ihrer wertvollen Ornamente beraubt – Tempelräuber waren auch hier schon längst auf Beutezug. Doch etwas Besonderes ist diese alte Stadt noch immer, geheimnisvoll und mit morbidem Charme. Türme im Licht und Trümmer im Halbschatten. Chan kennt die Geschichte.

Ein Kultplatz schon seit über 1000 Jahren, die Tempelstadt Koh Ker in Kambodscha. Foto: Oliver Abraham
Ein Kultplatz schon seit über 1000 Jahren, die Tempelstadt Koh Ker in Kambodscha. Foto: Oliver Abraham

„Ort des Glanzes“ nannte man Koh Ker früher

Die Tempelstadt von Koh Ker wurde vor rund 1.100 Jahren errichtet, ein Kultplatz war der Ort schon vorher. Koh Ker trug auch den Namen „Ort des Glanzes“, Bildhauer erreichten künstlerische Höhepunkte. König Jayavarman IV ließ prunkvoll bauen, denn zwanzig Jahre lang war Koh Ker die Hauptstadt seines Khmer-Reiches – bis diese nach Angkor zurückverlegt wurde. Koh Ker verlor an Bedeutung, die Tempel und Türme, Stätten und Schreine begannen zu verfallen. Knapp tausend Jahre dämmerte Koh Ker im Dschungel Asiens, gewiss nicht ganz vergessen und nie völlig verlassen. Ende des 19. Jahrhunderts entdeckten französische Forscher die verfallene Anlage, als sie in die für sie unbekannten Weiten ihrer Kolonie Indochina vordrangen.

Wurzeln haben sich in den tausend Jahre alten Gemäuer gegraben. Foto: Oliver Abraham
Wurzeln haben sich in den tausend Jahre alten Gemäuer gegraben. Foto: Oliver Abraham
Mehr als 10.000 Menschen lebten hier einst

Zur Zeit der Regentschaft des Königs Jayavarman IV lebten wahrscheinlich mehr als zehntausend Menschen in Koh Ker, Jayavarman war bereits ein lokaler Herrscher – mit eigener Hauptstadt Koh Ker – als er zum König aller Khmer ausgerufen wurde. Seine bisherige Kapitale Koh Ker, die Hauptstadt an diesem heute wie damals abgelegenen Ort, behielt er aber und residierte nicht in Angkor wie die Khmer-Könige vor und nach ihm. Ansehnlich musste es sein: mit siebenstufiger Pyramide und großen Wasserreservoir, Tempel um Tempel auf 80 Quadratkilometern, gut 180 Monumente wurden entdeckt, zwei Dutzend gelten (wegen der geräumten Minen) als gefahrlos zu besichtigen.

Koh Ker dämmert im Wald an manchen Stellen noch immer nahezu im Verborgenen. Foto: Oliver Abraham
Koh Ker dämmert im Wald an manchen Stellen noch immer nahezu im Verborgenen. Foto: Oliver Abraham
Blütezeit mit Jayarvarman

Mit der Regentschaft von Jayarvarman erlebte Koh Ker seine Blüte, ein bald nachfolgender Herrscher verlegte die Kapitale zurück nach Angkor. Es folgten Tausend Jahre Einsamkeit und dann kamen die Mörderbanden Pol Pots auch hier her. Koh Ker war bis vor einigen Jahren auch deshalb nahezu unzugänglich, und liegt verglichen mit Angkor Wat noch immer im Abseits, weil Landminen gelegt wurden. Als die Roten Khmer das Land in den 1970er Jahren mit ihrer Gewaltherrschaft zerstörten und einen Mord am eigenen Volk begingen, Geschichte auslöschen wollten, zerschlugen sie auch in Koh Ker Statuen, Bildnisse und Ornamente. Und sie legten auch hier Minen. Noch immer sind in Kambodscha Räumkommandos unterwegs. Schilder definieren klare Areale. Auch deshalb sollte man Orte wie Koh Ker nicht ohne ortskundigen Führer besuchen und es ist gewiss sinnvoll, sich Exkursionen etablierter und renommierter Veranstalter anzuschließen. Auf den Wegen zu bleiben sowieso.

Wurzeln dick wie Oberschenkel

Wasser tropft von Bäumen und Ruinen. Koh Ker dämmert im Wald an manchen Stellen noch immer nahezu im Verborgenen. Manche Wurzeln der Würgfeigen sind dick wie Oberschenkel. Das Geschrei der Affen und seltsam lockende Vogelrufe begleiten diesen Vorstoß in die im Wald versunkene Welt. Es ist faszinierend zu spüren, wie ein Ort der Hochkultur und Zivilisation fast verloren ging in Zeit und Raum. Man geht über Wege, und erkennt die einst breiten Chausséen zu himmelhohen Heiligtümern. Die paar Leute, die man heute hier sieht, unterstreichen das Gefühl der Einsamkeit nur.

Steine stapeln sich. Foto: Oliver Abraham
Steine stapeln sich. Foto: Oliver Abraham
Feine Arbeiten der Bildhauer

Man blickt auf Tempel und Türme. Die Bildhauer arbeiteten ungemein fein und detailreich, so, wie bei den Darstellungen Tanzender mit edlem Gesicht. Es gibt kunstvolle Reliefs mit Abbildungen von Delphinen und Seekühen. Der Pfad führt auf einen Hügel. Darauf stehen Friese und Umfassungen, sie sind meterhoch, wieder führen Portale ins Ungewisse. Dann führt ein gerader Weg auf ein Tor, neben diesem Pfad liegt eine Galerie, zusammengestürzt und zerbrochen, sie liegt herum wie ein achtlos hingeworfener Haufen überdimensionierter Bauklötze.

Es gibt kunstvolle Reliefs und feine Muster in Koh Ker. Foto: Oliver Abraham
Es gibt kunstvolle Reliefs und feine Muster. Foto: Oliver Abraham
Das zentrale Heiligtum Prasat Thom

Entlang eines Wassergrabens gehen wir zum ehemals zentralen Heiligtum dieser Stadt, einer siebenstufigen Pyramide, nach Prasat Thom. Über einem Graben mit dunklem Wasser hängen tief die Äste der gewaltigen Teak- und Kapokbäume, flankiert von längst bewachsenen und überwucherten Balustraden. Einst war dies der Mittelpunkt von Koh Ker, und heute hören wir nur den einsamen Paddelschlag eines Kahns.

Auf dem Altar glimmen Räucherstäbchen, Koh Ker ist ein Heiligtum in Kambodscha. Foto: Oliver Abraham
Auf dem Altar glimmen Räucherstäbchen, Koh Ker ist ein Heiligtum in Kambodscha. Foto: Oliver Abraham
Ein Symbol weist auf die Gottheit Shiva hin

Am Heiligtum Prasat Neang Khmau steht ein ungewöhnlich gut erhaltener Turm aus Lateritgestein. Durch einen dunklen Eingang im Mauerwerk gehe ich hinein: auf dem Altar glimmen Räucherstäbchen, es riecht duftig, schwer und würzig. Dort liegen Betelblätter samt Kalkstückchen zum Freisetzen der berauschenden Stoffe beim Kauen, eine Flasche Wasser steht daneben und eine kleine Figur eingewickelt in goldenes Glanzpapier. Chan deutet auf eine andere Figur, auf ein Symbol, es weist auf die Gottheit Shiva hin. Chan erzählt von Linga, das das Männliche repräsentiert, die Statue, und von Yoni, dem Weiblichen. Berichtet von der schöpferischen Energie, die von Beidem und diesem Ort ausgeht und davon, dass die Leute herkommen, um bei Vollmond Rituale abzuhalten, um Hilfe zu erbitten für Fruchtbarkeit und gute Ernte. Heute wie vor tausend Jahren. Shiva bedeutet Zerstörung und Erneuerung im ewigen Zyklus.

Die Tempelstadt von Koh Ker in Kambodscha wurde vor rund 1.100 Jahren errichtet. Foto: Oliver Abraham
Die Tempelstadt von Koh Ker in Kambodscha wurde vor rund 1.100 Jahren errichtet. Foto: Oliver Abraham

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Diese Reise wurde unterstützt von Marco-Polo-Reisen/München. Infos unter marco-polo-reisen.com  Ein Ausflug nach Koh Ker kann als Reise-Baustein bei Marco Polo Reisen individuell angefragt werden

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