Von Oliver Abraham
Tréguier/Bretagne. Tief greift der Meeresarm Jaudy in die karge und felsige Küste. Wind fegt über die schroffe Küste im Norden dieses wildromantischen Landes. Vom ewigen Wind verbogener, kratziger Ginster und raue Steine dort, zarte, liebliche Blumen und gefällige Parkanlagen hier. Der Geruch nach Salzwasser und Tang, der Duft nach Vanille und Jasmin. Es sind starke Kontraste und, im wahren Wortsinn: schöne.
Le Kestellic – exotischer Garten an der bretonischen Cote de Granit Rose
Überraschungen, nicht nur die zwischen diesem herben Ende der Welt und üppiger Exotik in den botanischen Gärten. Auch innerhalb dieser Parks reizen Gegensätze – zwischen Bekanntem und Fremden, sei´s Entdecken auf verwunschenen Pfaden oder Entspannen am leise plätscherndem Wasserfall. Und immer wieder: Überraschungen.
Pflanzen aus der Zeit der Dinosaurier
Turmhoch ragen die Stämme von Eukalyptusbäumen in den blauen Himmel und eine Bananenstaude steht dort mit riesiger Blüte. Pflanzen, stachelig und bewehrt, aus der Zeit der Dinosaurier und duftige, üppige Blumen. Wer die Weltregionen begehen möchte und ihren Duft atmen, unterwegs sein will in Zeit und Raum, der möge flanieren und seine Empfindungen genießen. Denn ein Besuch solcher Gärten ist auch eine Reise für die Sinne.
Gärten an der Côte de Granit Rose
Nördlich der Stadt Tréguier liegt an der Côte de Granit Rose, der Küste manchmal rosa schimmernden Gesteins, der exotische Garten Le Kestellic. Hier steht der Eukalyptus, hier wächst die Banane. Sehr viel Schönes und Sonderbares mehr. Draußen auf kargem Fels und über dem großen Meer drückt der Wind, im botanischen Garten ist nur noch sein Flüstern zu hören, dazu Vogelstimmen und das sanfte Plätschern von Wasser. Im Zwielicht der Blätter leuchten Hortensien fahl und gespenstisch blau.
Es duftet nach exotischer Blüte
Die Sonne lässt das Wasser des Jaudy, der wie ein Fjord wirkt, türkis leuchten und das Schieferdach des Herrenhauses glänzen. Magnolien blühen. Wer eintritt in diesen Garten wird überrascht sein – denn assoziiert man Exotisches nicht mit Tropen? Spazieren der Nase nach. Es duftet nach Harz und süß nach exotischer Blüte. Jasmin? Oder Lilien? Wer weiß. Man möge schauen: Da sind die Ahorne aus Asien an einem verwunschenen Teich, korallenrot die Blätter. Die Blüten sind üppig und mit exotischem Duft, Vielfalt und Fülle so nah beieinander; es wirkt überwirklich schön.
Zauberkunst der Gärtner
Magie heißt Zauberkunst, und das ist den Gärtnern gelungen. Ein Ort, der unwiderstehlich ist. Palmen wiegen sich im Wind und die Blätter der Akazien leuchten später im Jahr in edlem Gelb. Die Wege laden zum bedächtigen Flanieren ein, zum Langsamsein. Und über verwunschene Pfade kann man Stellen erkunden, die wie ein Dschungel wirken. Schmetterlinge tanzen im Licht. Es ist eine botanische Weltreise zwischen Buchen, Bambus und Bananen. Ein kühler Hauch steigt aus dem erdig duftenden Waldboden auf und fernes Möwengeschrei ist zu hören, Licht flirrt durch die Kronen von Kiefer und Bambus gleichermaßen.
Botanische Expeditionen brachten Pflanzen aus aller Welt
Hier wachsen Pflanzen, die von botanischen Expeditionen aus der ganzen Welt in die Bretagne gebracht wurden, und die Sammlung wächst weiter. In einem Parkabschnitt am Hang über dem Jaudy wächst duftender Honigbaum aus den Bergen Chinas. Hier gedeihen auch Mimosen vom Snowy River in Australien und Pfefferbäume aus Südamerika. Aromen wie aus einem mediterranen Garten vermengen sich mit dem Duft des kühlen Meeres und dem brackigen Geruch des zunehmend trockenfallenden Jaudys, es ist Ebbe. Offen liegendes Gestein in den Gärten am Hang speichert die Wärme, dies und die windgeschützte Lage sorgen dafür, dass tropische und subtropische Gewächse aus Kalifornien, Südafrika oder Australien den ohnehin milden Winter überleben – Bromelien oder Proteen zum Beispiel können deshalb hier existieren.
Man fühlt sich wie ein Entdecker im Dschungel
Es ist ein herrliches Sich-Treibenlassen zwischen diesen botanischen Besonderheiten. Unter dem dichten Blätterdach des Bambus führt ein Pfad zu einer Holzbrücke. Die Blätter üppiger Exoten hängen tief über dem Weg und satte, schwüle Feuchte in der Luft. Das Gestein um einen kleinen Wasserfall ist mit Moos bewachsen, hier wird mit Wasser gespielt. Es fällt, tropft und plätschert. Es ist verwunschen, die Pflanzen wirken fremd. Man fühlt sich wie ein Entdecker im Dschungel, hier wachsen Riesenfarne und die archaischen Dicksonien (Baumfarne), die den Spaziergang wie durch einem Wald aus Urzeiten wirken lassen. Hier gedeihen Schlüsselblumen aus dem Himalaya, Riesenpetersilie aus Madeira, drei Meter hohe Lilien, Stinktierkohl mit täuschendem Geruch nach – so heißt es – Banane und Aas. Unterwegs im Reich seltsamer Illusionen.
Les Jardins de Kerdalo – ein weiterer zauberhafter Park am Meer
Szenenwechsel. Ein paar Kilometer südöstlich, ein anderer Park. Es ist später Nachmittag und Glockenspiel erklingt in der Ferne, weht herüber aus Tréguier über den Meeresarm Jaudy. In der sanften Abendbrise liegt etwas, das wie Vanille duftet, es aber nicht ist (das stellt sich bald heraus). Wind streicht über die Blumen, wispert in den Bäumen und Büschen, manche davon wirken wie aus der Zeit gefallen; fremd, exotisch. Betörend die einen, stachelig die anderen, Zaubergarten hier und Kuriositätenkabinett dort.
Park am östlichen Ufer des Jaudy
Willkommen in einem weiteren, wundersamen Garten am Meer, willkommen in den Jardins de Kerdalo. In diesem Park am östlichen Ufer des Jaudy, gegenüber der Stadt Tréguier und nur ein paar Kilometer von Kestellic entfernt, stehen Ahorne und Akazien, Andentannen und Azaleen. Durch das Blätterdach flirrt das Licht und wirft zitternde Schatten auf den Boden, es ist nicht nur ein Spiel des Lichts, sondern auch eines der Farben. Gerade die Ahorne, und besonders die aus fernen Ländern, tragen im Herbst buntes Laub. Rot und orange, gelb und gold.
Flanieren und Spazieren in der Bretagne
In einem Wäldchen steht ein Teehaus in japanischem Stil. Spazieren von Kontinent zu Kontinent, flanieren in Raum und Zeit. Denn manche Pflanzen stammen von der Evolution her betrachtet aus der Zeit der Dinosaurier. Daneben Büsche und Baumreihen wie Landschaften, in perfekter Harmonie, hier, dort die bizarren Schönheiten aus der Urzeit; es sind Sprünge in der Zeit und eine kurze Strecke im Park, die diese Bilder und Eindrücke bisweilen surreal wirken lassen. Langsam nur, dann kommt der Geist auch mit. Die Bäume bremsen auch hier die Brise über dieser herben Küste, der Gang durch den Park ist behütet.
Der Park als Spiel der Gegensätze
Es ist heiter und sorglos. Die Augen sehen sich satt und der Blick fällt durch die Sichtachsen, über freie Fluchten. Es riecht nach Lilien und die Rhododendren wachsen meterhoch, Hortensien in blau, purpur oder rosa. Dieser Park ist auch ein Spiel mit dem Gegensatz – von der formalen Strenge sind es bis zum Verwunschenen nur ein paar Schritte. Der Pfad führt ins Unterholz. Im Bach liegen Trittsteine und die Blätter sonderbarer Pflanzen am Ufer sind groß wie Tischplatten.
Ein Gang ins Geheimnisvolle
Vier Meter hoch ist der Riesenrhabarber (er ist jedoch keiner, er sieht nur so aus), leise fließt das Wasser. Diesen Ort haben die Leute mystifiziert, es ist ein Gang ins Geheimnisvolle. Es ist verwunschen, und genau so soll es sein – denn diese Anlage wurde erst in den 1960er-Jahren angelegt. Es ist ein Spiel mit den Sinnen und den Empfindungen; hier das zarte und üppig Überbordende, das Schöne und das Farbenfrohe, dort das Morbide und Zwielichtige, das verfallen wirkende, modrig riechender Teich und duftende Blüten ein paar Schritte voneinander entfernt nur.
Riechen, Sehen, Fühlen
Riesenbaumfarn steht dort wie in einem Urwald und eine verwitterte Skulptur im Bambus-Dickicht, das steinerne Gesicht eines Wasserspeiers zu stummem Schrei erstarrt. Riechen, Sehen, Fühlen und folgend der Phantasie, Vorantasten auf schlüpfrigem Stein unter wippendem Farn im Düsteren; es ist Entdecken. Auf der Suche sein nach dem Verborgenen. Nach dem Mysteriösen und Rätselhaften: Wie der Grotte. Am unteren Ende des den ganzen Park durchziehenden Tals liegt dieses verwunschene Gebäude, es wirkt uralt und doch wurde es erst vom Erschaffer dieses Parks, Peter Wolkonsky, zwischen 1965 (da erwarb er das Anwesen) und dem Jahr seines Todes, 1997, gebaut.
Pflanzen vom äußersten Ende der Welt
Als der Künstler und Aristokrat in Italien weilte, holte er sich Anregung zur Ausstattung dieses Grotto. Zeichnungen brachte er heim und abertausende Muscheln wurden dann am Meer gesammelt. Damit schuf Wolkonsky Bilder und Skulpturen von Sirenen und Seemonstern, die das Innere des Grotto zieren. Es wirkt wie aus einer vergangenen Zeit, auch dies ein Spiel mit Überraschung und Illusion. Auch der Kontrast zwischen Bekanntem und unbegreiflich Fremden ist reizvoll. Kamelien, Amaryllis, Magnolien, Calla, diese und viele mehr wird man vielleicht kennen. Aber Dicksonien oder Arukarien? Palmenähnlich sehen die aus und stammen von äußersten Ende der Welt – aus Chile und Neukaledonien, aus dem subantarktischen Regenwald. Sie sehen aus, wie aus der Zeit gefallen.
Schon Dinosaurier haben solche Pflanzen gefressen
Manche dieser Pflanzen sind, von der Evolution her betrachtet, uralt; es gibt sie seit mehr als hundert Millionen Jahren. Dinosaurier haben so etwas gefressen. Dieser Garten ist bunt und bizarr. Ein kleiner Gang, und es riecht erneut anders. Der Duft von Gewürzen wie Thymian und Salbei liegt in der Luft, dort, wo die Sonne hinlangt und wärmt. Tasmanischer Pfeffer wächst hier. Es riecht nach Jasmin und Heu. Plötzlich wieder dieser süßliche Geruch … nach Vanille vielleicht? Doch die ist es nicht. Es ist der Schicksalsbaum, der so riecht. Aber nur abends, dann, wenn der Park wieder abgeschlossen wird.
– kestellic.fr bei Plouguiel, Öffnungszeiten beachten, Informationen zum Besuch
– lesjardinsdekardalo.com bei Trédarzec, Öffnungszeiten beachten, Informationen zum Besuch
– bretagne-reisen.de Informationen zum Reiseziel Bretagne
– Alle Angaben ohne Gewähr. Dieser Bericht stellt keine Wertung untereinander und / oder gegenüber anderen Unternehmen, Personen, Waren oder Dienstleistungen o.Ä. dar und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.