Von Oliver Abraham
Bischofsheim (Rhön). Winter in der Rhön. Enge Gassen führen durch den historischen Teil von Bischofsheim. Von der Kirche geht es hinunter zur Brennerei im Gasthaus Dickas. Der Geruch von Kohlefeuer liegt in der Luft. Und der von Holzrauch. Es beginnt zu schneien. Kirchenglocken schlagen am frühen Morgen und Flocken wirbeln vor dem Eingang zur guten Stube.
Rhöner Obstbrand aus der kupfernen Brennblase
Claus Vorndran, Gastgeber und ein Bewahrer des guten Geschmacks, ist im Keller seines Gasthauses beschäftigt. Dorthin führt der Weg vorbei am Garten, im Sommer eine Pracht, heute recken die alten Obstbäume ihre kahlen Zweige in den trüben Winterhimmel, hinter dem Haus geht es die Treppe hinunter. Auch im Keller ist es kühl. Hier steht die kupferne Brennblase mit dem messingfarbenen Deckel, der aussieht wie eine U-Boot-Luke, darüber und daneben die silbrig glänzenden Kolonnen und Kühler aus Edelstahl, griffige Regler überall.
Rauch quillt aus dem Ofen
Claus Vorndran trägt Holzscheite in den Raum unter dem Restaurant, öffnet die Ofenklappe, Rauch quillt heraus. Es riecht angenehm; nach Feuer und fruchtig. Vorndran destilliert heute Obstbrand aus Birnen. „In den Gärten hier im Ort und auf den Streuobstwiesen rund um Bischhofsheim stehen viele Obstbäume, überwiegend sind es alte, historische Sorten“, erzählt er, auch seine Familie besitzt und pflegt einen Bestand.
Obst veredeln rettet die alten Sorten
Die Leute von Bischofsheim und anderswo in der Rhön retten die alten Sorten auch deshalb vor dem Verschwinden, weil sie das Obst nutzen, es veredeln. Weil sie es wertschätzen, und einen Wert daraus schöpfen. Wie Claus Vorndran zum Beispiel, der die Aromen von Äpfeln, Birnen oder Mirabellen zu einem Kondensat des guten Geschmacks destilliert.
Wie als Äpfeln oder Birnen ein feiner Obstbrand wird
„Ich kenne Familien hier im Ort, die einen großen Garten und etliche Bäume haben. Im Herbst bitte ich Sie – Sagt mir, wenn das Obst reif ist …“ Das Obst maischt er dann ein. Pürierte Frucht, ein dicker Fruchtsaft also, wird dazu in luftdicht abgeschlossene Fässer gefüllt und einige Wochen stehen gelassen. Es beginnt zu gären. Aus dem natürlichen Zucker der Frucht wird dank Hefe Alkohol.
Die Brennblase ist das Herzstück
Irgendwann im Winter ist es dann soweit: Vorndran wuchtet die Fässer vor die Brennanlage, rührt um und pumpt die gelblich-bräunliche, angenehm riechende Maische in die kupferne Brennblase, sie ist das schmucke Herzstück der gesamten Vorrichtung. Wieder öffnet er die Ofenklappe, legt Fichtenholz nach, Flammen züngeln an den Scheiten, sie knacken und im Kessel beginnt es allmählich zu blubbern.
Arbeit mit den Sinnen
Ein Brenntag dauert gut acht Stunden. Über dem Feuer verdunstet der Alkohol und mit ihm die Aromen der Früchte. Die Kunst und das Können des Destillateurs ist es, genau den Teil abzufangen, in dem das Beste steckt, „…wir nennen es das Herzstück. Der Vorlauf und der Nachlauf wird verworfen.“ Natürlich haben Kessel und Kühlkolonnen Temperaturanzeigen, es gibt ein Dichtemessgerät zur Bestimmung des Alkoholgehaltes im Destillat. Aber Obst zu brennen ist mehr als einen technisch-physikalischen Ablauf zu überwachen, es ist Arbeit mit den Sinnen und es ist auch Leidenschaft: „Neben der Erfahrung, und sicher auch Intuition, ist es vor allem der Geruch“, sagt Claus Vorndran.
Gut acht Stunden dauert ein Brenntag
Aus einem dünnen Rohr am Ende des Kühlers rinnt der schmale Lauf einer klaren Flüssigkeit in den Edelstahleimer; es plätschert ganz leise und es ist die Essenz eines Jahreszyklus´ Arbeit mit dem Streuobst. Man erkennt an den frischen und fruchtigen Aromen, den satten und süffigen, die nun deutlicher in der Luft liegen, wann der gesuchte Mittellauf zu fließen beginnt, und auch, wann er wieder endet. Die Brennblase und Kühlkolonnen hat Vorndran trotz Erfahrung und gutem Riecher immer im Blick, den Ofen auch.
Handwerk nach alter Väter Sitte
Dampf steigt auf, schlägt sich in Schlieren vor den Fenstern des Kühlers nieder, das Feuer muss brennen den ganzen Tag. Nicht zu stark und nicht zu schwach. „Ich kann die Anlage nun keinen Augenblick mehr allein lassen, muss aufpassen. Ich will das alles ursprünglich haben – nicht über eine Kontroll-App oder so ´was. Ich bin Traditionalist.“ Es ist ein Handwerk nach Alter Väter Sitte, kein gewollter Anachronismus, gebrannt wird hier seit 1896. Aus guten Zutaten, dem regionalen Obst in seiner ganzen geschmacklichen Vielfalt, und echter Arbeit, gewiss ist sie anstrengend, wird hier ganz einfach etwas Gutes.
Es macht Claus Vorndran Freude, auf diese Weise mit dem Obst zu arbeiten, und ein sinnliches Vergnügen ist es ihm auch. Er nimmt ein Glas vom Destillat, riecht daran. „Der Vorlauf enthält Stoffe und Geschmäcker, die ich nicht gebrauchen kann, der Nachlauf ebenfalls – am Geruch erkenne ich, wann das Herzstück zu fließen beginnt und wann es wieder aufhört.“ Alte Obstorten, wie sie in der Rhön noch häufig wachsen und gepflegt werden, sind ein bäuerliches Kulturgut.
Ein gutes Glas als Belohnung für die viele Arbeit
Früher hatte jedes Dorf seine Streuobstwiesen, licht auseinander stehende Bäume verschiedener Sorten – Vielfalt nicht nur in Geschmack und Verwendung (Tafelobst, lagerfähig, Vitamine für den Winter, zum Brennen), sondern auch eine genetische Reserve. Nach dem Krieg begann mit bequemeren Einkaufsmöglichkeiten der Niedergang, in den 1970er Jahren gab es sogar Rodungsprämien für Obstbäume. In der Rhön wurde Streuobst dennoch bewahrt, „… ein Obstbrand ist sicher eine gute Möglichkeit, Sorten und Bestand über die Runden zu kriegen. Und ein gutes Glas ist gewiss auch eine schöne Belohnung für die viele Arbeit, die ein Streuobstbestand macht“, meint Claus Vorndran.
Destillat glitzert lebhaft im Licht
In den Edelstahleimer läuft nun ein schmales Rinnsal Destillat, die Flüssigkeit glitzert lebhaft im Licht; es ist die Essenz der Aromen, das Kondensat eines Jahres Arbeit am Obst und naheliegender Abschluss, der verdichtete Geschmack von Birnen aus der Rhön. Zum Verkauf und zum Genießen im Gasthaus. Auch in der Küche ist Vorndran Traditionalist: Wild aus heimischer Jagd, Kräuter selbstgepflückt von eigenen Wildwiesen, Fleisch und Fisch von bewährten Produzenten aus der Gegend …. genussvoll, bewusst und regional genießen also nicht nur mit einem Glas Obstbrand historischer Sorten aus der Rhön. Vorndran ist auch Mitglied bei „Slow Food Deutschland“, und die Zeit und die Muße dazu, die bringt gerade der Winter mit. Hier im gemütlichen Gasthaus, anderswo in der Rhön auch.
Seele und Geist der Region
In einem solchen Obstbrand aus mancher Frucht der Streuobstwiese stecken auch Seele und Geist der Region, das handwerkliche Können der Destillateure offenbart eine Tiefe an Aromen und das breite Spektrum des Geschmacks. Es entfaltet sich eine Fülle an Düften, man denkt an die üppigen Gärten voller Birnen, Äpfel oder Mirabellen. Claus Vorndran brennt längst die nächste Charge in seinem Keller; geflieste Wände und roher Betonboden, stapelweise Feuerholz und knarrende Holztüren unten im Gewölbe, im Raum nebenan stehen noch einige Fässer mit Maische. Sehr viel anders sah es hier wohl auch nicht aus, als sein Ur-Großvater mit dem Brennen begann. Wozu auch, es braucht nicht mehr. Nur Leidenschaft und gutes Obst. Und Leute wie ihn und andere, die das Gute bewahren.
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