Von Oliver Abraham


Der eisige Ostwind verwirbelt den Schnee und das Licht der schon tiefstehenden Sonne lässt das Gefieder der Schwäne strahlen. Endlos wirken die freien Flächen in der Niederung, offen bis zum Horizont; dort, wo sich die Flüsse Eider, Treene und Sorge zusammenfinden.

Im naturbelassenen Moor, im vom Mensch geschaffenen Koog unter dem Meeresspiegel, irgendwo im Westen Schleswig-Holsteins.

Schwäne, Treene. Ein amphibisches Land, Wasserland im Winter. Foto: Oliver Abraham
Ein amphibisches Land, Wasserland im Winter. Foto: Oliver Abraham

Gebietsweise überflutet, ein amphibisches Land, durchzogen von Gräben. Wasserland im Winter und die Eisschollen krachen.

Schwanensee

Abgelegen, einsam, wunderbar.

Denn hier rasten Tausende Schwäne – Zwergschwäne in der Mehrzahl und Singschwäne.

Der Himmel ist knallblau und die Luft klar wie Kristall. Der Wind weht ein zunächst fernes, mehr zu erahnendes als zu hörendes, Sirren herbei. Dann schwillt dieses schöne und feine, sonderbare, Geräusch an zu einem Singen. Wie eine Täuschung und seltsam deplatziert wirkt es in dieser einsamen Gegend. Einer melancholischen dazu – wie verloren steht die Silhouette der Windmühle Gisela am Horizont und eine Reihe kahler Bäume halb ertrunken im Wasser.

Das Himmelsblau wird immer dunkler und das Gefieder der einfliegenden Schwäne strahlt umso mehr.

Der Trupp fliegt noch eine Platzrunde und lässt sich nieder auf den weiten, überfrorenen Flächen.

Treene Land

Die schönen, feinen, eleganten Schwäne sind ein starker Kontrast zu dieser herben, harten, reduzierten Landschaft.

Zwergschwäne sind kleiner als Höckerschwäne und sie haben einen gelben Fleck zwischen Augen und schwarzem Schnabel. Der Höckerschwan hat einen orangefarbenen Schnabel.

„Zwerg- und Singschwan kann man außerdem an ihrer Größe unterscheiden – der Zwergschwan ist kleiner als der Singschwan“, erklärt Michael Mielke.

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Kaltes, kahles, Land. Foto: Oliver Abraham

Kaltes, kahles Land.

Eine Kornweihe fliegt über dem Riet, ein Seeadler dreht seine Runden. Es ist erst Nachmittag, doch in zwei Stunden wird es dunkel sein. „Dann fliegen die Schwäne zu ihren Schlafplätzen ein“, sagt Michael Mielke, Mitarbeiter der Integrierten Station Eider-Treene-Sorge im nahen Bergenhusen. Er hat seinen Wagen über die leeren Wege des Meggerkooges gesteuert, nun geht es zu Fuß über Eis und gefrorenen Matsch zu einem Hochstand. Einem der Aussichtspunkte also, wo wir sein wollen, wenn die Schwäne zum Schlafplatz kommen. Stiefel klirren im Eis, die Sonne ist hinter den Horizont gesunken und Kälte fällt aus dem Weltraum, erste Sterne beginnen zu funkeln.

Zu hören ist ein heiseres Bellen; ein Fuchs. Wieder liegt das hohe Sirren und Singen in der Luft, es ist deutlicher jetzt, wird auch mehr.

Und eine Gänsehaut haben die Leute nicht nur wegen der Kälte. Es klingt geheimnisvoll, wie nicht von dieser Welt, gespenstisch fast und wieder bellt fern ein Fuchs.

„Die Schwäne werden sich vermutlich in einer Flussschleife der Alten Sorge niederlassen“, meint Michael. Die Flüsse schwingen in ausladenden Kurven durch das Tiefland der Nordsee entgegen, geschaffen haben sie ein Mosaik aus Wasser, Sumpf und Grünland. „Und das ist ideal für die Rast der Schwäne“, erklärt Michael, „…sie können sich hier in der Grünlandniederung auf ihrem Zug gen Norden nochmal sattfressen. Und dieses von einem umfangreichen Gewässernetz durchzogene, große und weite, Gebiet bietet den Schwänen genügend Raum für die Sicherheit wenn sie schlafen – dabei stehen sie im Wasser oder schwimmen. Feinde wie die Füchse kommen nicht an sie heran.“

Schwäne, bis zu ein Viertel der nordwestdeutschen Population rastet in den Grünlandniederungen von Eider, Treene und Sorge. Foto: Oliver Abraham
Schwäne, bis zu ein Viertel der nordwestdeutschen Population rastet in den Grünlandniederungen von Eider, Treene und Sorge. Foto: Oliver Abraham

„Diese Gegend ist eines der bedeutendsten Rastgebiete für Zwergschwäne in Europa. Bis zu ein Viertel der nordwestdeutschen Population rastet in den Grünlandniederungen von Eider, Treene und Sorge. Hier halten sich die Vögel auf ihrem Weg von den Überwinterungsgebieten in England oder den Niederlanden Richtung ihrer Brutgebiete in der sibirischen Tundra auf.“ Das erläutert Julia Jacobsen, Leiterin der Integrierten Station Eider-Treene-Sorge. Hunderte dieser Schwäne sind allein von den wenigen Straßen aus zu beobachten, „…am besten geht das vom Auto aus, dann werden die Vögel nicht gestört.“

„Bitte bleiben Sie im Auto und steigen sie nicht aus, so werden die Zwerg- und Singschwäne am wenigsten beunruhigt“ sagt Dr. Martina Bode vom KUNO e. V, der zusammen mit der Integrierten Station Eider-Treene-Sorge und dem NABU jährlich Ende Februar die Zwergschwantage organisiert.

Und wer zeitig auf dem Hochstand ist, kann sie auch von hier mit gutem Gewissen beobachten. Vielmehr: sie hören.


Der Mond ist aufgegangen und die Eisflächen glitzern silbrig, ein graues, fast feierliches Licht schimmert über dem Land.

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Schwäne, bis zu ein Viertel der nordwestdeutschen Population rastet in den Grünlandniederungen von Eider, Treene und Sorge. Foto: Oliver Abraham

Die feinen Laute der Singschwäne – es sind nicht ihre Rufe, sondern der Klang ihrer Schwingen im Flug, der ihnen ihren Namen gab – hebt weiter an; mit kräftigerem Klang jetzt, wie eine himmlische Melodie. Treffen sich die Trupps am Schlafplatz, gibt es auch Gesänge; seltsam und schön klingt es in dieser Einsamkeit.

Wie Lieder aus einer anderen Welt – zart, elfenhaft, losgelöst.

Hin und wieder schallt es wie ein Trompetenruf durch eisige Nacht. Und der Fuchs, der bellt unter einem phantastischen Sternenhimmel dazu.

Information

  • Informationen:
  • kunoev.net und eider-treene-sorge.de
  • Im Meggerkoog am Fünfmühlendamm und im Zentrum des Börmer Kooges stehen Beobachtungstürme, von denen aus sich ein guter Blick auf die Nahrungsflächen und Schlafplätze bietet. Dort darf man allein / unbegleitet hingehen. Bitte bleiben Sie sonst im Auto sitzen. Im Börmer Koog kann man die Schwäne tagsüber beim Fressen beobachten (wenn sie da sind), im Meggerkoog / Alte Sorge Schleife den Schlafplatzanflug.
    Alle Angaben ohne Gewähr. Dieser Bericht stellt keine Wertung untereinander und / oder gegenüber anderen Unternehmen, Personen, Waren oder Dienstleistungen o.Ä. dar und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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